Poltergeist - Feather Of Truth

  • Poltergeist - Feather Of Truth:

    Vier Jahre ist es her, dass die Schweizer Thrash Metal-Institution Poltergeist mit ihrem Comeback-Album "Back To Haunt" für Aufsehen sorgen konnte. Die Band, deren erste Gehversuche noch unter dem Namen Carrion bis ins Jahr 1983 zurückreichen, war seit dem 1993er Longplayer "Nothing Lasts Forever" auf Eis gelegen, fand jedoch 2016 umgehend in die Spur zurück und veröffentlichte ein rundum überzeugendes Machwerk. Umso gespannter darf man sein, wenn in diesem Jahr mit "Feather Of Truth" der zweite Streich nach der Reunion in den Plattenregalen landet. Das Line-Up ist weitestgehend noch dasselbe wie auf dem Vorgänger, lediglich an den Drums wurde der auch von Destruction bekannte Sven Vormann durch Reto Crola ersetzt, und das Opulente Cover-Artwork steckt jenes des seinerseits schon cool aussehenden "Back To Haunt" nochmal glatt in die Tasche. Ideale Bedingungen also für einen weiteren Streich feinen schweizerischen Thrash Metals, möchte man meinen...

    1. Time At Hand:
    Und tatsächlich beginnt die Scheibe mehr als ordentlich. Der Opener "Time At Hand" ist ein ordentliches Thrash Metal-Pfund, das ein starkes, sehr charismatisches Mainriff sowie schöne Melodien miteinander verbindet und somit einen Song darstellt, der zwar mit Highspeed in die Vollen geht, dabei jedoch nicht in hirnloses Gebolze ausartet, sondern immer wieder Variationen aufweist und nie Gefahr läuft, langweilig zu werden. Fronter André Grieder, der auch Zeitgenossen, die Poltergeist erst für sich entdecken, von seinem kurzen Stint als Sänger bei Destruction bekannt sein mag, führt die Nummer mit seiner typischen, für Thrash Metal ungewöhnlich melodischen Stimme, während Band-Mastermind V.O. Pulver und Chasper Wanner im Solo-Part die Fetzen fliegen lassen, dass auch manch bekanntere Gitarristen wohl ihre liebe Mühe hätten, hier mitzuhalten. Gelungener Einstieg!
    8/10 Punkte

    2. Saturday Night's Alright For Rockin':
    Leider währt jedoch dieser gute erste Eindruck nur kurz, denn es folgt die erste Single des Albums, "Saturday Night's Alright For Rockin'" - und wie bei so vielen Bands fragt man sich auch hier bei Poltergeist, was sich die Herren eigentlich dabei gedacht haben könnten, ausgerechnet diese Nummer als Aushängeschild für ihr Album auszukoppeln. Sicherlich, die Lyrics des Tracks haben eine Aussage und machen auch durchaus Laune, aber musikalisch entfernt man sich deutlich zu weit von seinen Thrash-Wurzeln und bemüht sich an rockig angehauchtem Speed Metal, der zuletzt einfach klingt wie eine zahnlose Version von Flotsam & Jetsam. Jetzt wäre das an sich nicht so schlimm und der Song vielleicht im unteren Mittelfeld anzusiedeln, doch wenn dann auch noch ein Break einsetzt und einen völlig überflüssigen Heavy Metal-Groove-Part mit sich bringt, der sich in das Konzept des Songs so gar nicht einfügt, dann bleiben nur...
    3,5/10 Pkt.

    3. Feather Of Truth:
    Der Titelsong betreibt hierfür zumindest partielle Wiedergutmachung. Auch diese Nummer ist fernab des Thrash Metals angesiedelt und agiert mit ihrem Midtempo eher in klassischen Heavy Metal-Gefilden, ist aber dennoch deutlich interessanter als der vorhergehende Track, wobei insbesondere die Leistung von Neuling Reto Crola ins Auge (respektive Ohr) fällt. Der Mann gibt auf dem Album allgemein eine gute Figur ab, wenngleich man stellenweise das Gefühl hat, dass Sven Vormann den Songs mit seinem Spiel noch etwas mehr Power liefern konnte. Der Track selbst mag manchem Fan ein Wenig zu sehr in den Kitsch abrutschen, doch überzeugt dafür das lyrische Konzept vom Totengericht der ägyptischen Mythologie umso mehr.
    6/10 Pkt.

    4. The Attention Trap:
    Freilich macht die Nummer aber keinen Stich gegen "The Attention Trap", die zweite Single aus dem Album, die nach dem Schock der ersten Auskopplung Balsam auf die Fan-Seele war. Hier erhält man einen typischen Poltergeist-Song im Stile besten Thrashs der deutschen Schule, während sich die Lyrics mit dem Fluch der modernen Massenmedien befassen, wobei der geneigte Thrasher wohl über einige sprachliche Ungereimtheiten hinwegsehen kann - dennoch vielleicht nicht die beste Wahl, zu dem Song ein Lyrics-Video zu veröffentlichen, aber das soll die Wertung der Musik nicht schmälern...
    8/10 Pkt.

    5. Phantom Army:
    "Phantom Army" setzt die Reihe der Songs mit interessanten Lyrics ungebrochen fort, stellt aber musikalisch einen der ungewöhnlichsten Tracks des Albums dar. Entspannt groovend setzt die Nummer ein, aber während man sich gerade fragt, ob man es hier mit einem weiteren Song abseits aller guten Thrash-Konventionen zu tun hat, wird das Tempo angezogen und es entwickelt sich eine schnelle, aber gleichzeitig sehr episch-hymnisch angehauchte Nummer, bei der trotz aller Konzentration auf die Melodien auch die Härte nicht vernachlässigt wird. André liefert hier seine beste Leistung des Albums ab und trägt den Song mit seinen sehr schön eingesungenen Vocals. Guter Track!
    7/10 Pkt.

    6. The Godz Of The Seven Rays:
    Doch wie schon zu Beginn des Albums folgt die Enttäuschung abermals auf dem Fuß. "The Godz Of The Seven Rays" hat keine Härte, thrasht nicht, sondern schlabbert stattdessen in einem undefinierbaren Brei irgendwo zwischen Speed und Midtempo umher, ohne jemals wirklich interessant zu werden. Eine weitere viel zu belanglose Nummer, die auch durch das tolle Solo nicht mehr gerettet werden kann.
    3/10 Pkt.

    7. The Culling:
    Das nachfolgende "The Culling" ist die einzige Nummer des Albums, für deren Musik neben V.O. auch Bassist Ralf Winzer Garcia verantwortlich zeichnete - und, man muss sagen, geschadet hat es definitiv nicht. Die textliche Marschrichtung der Nummer ist mit dem Songtitel eigentlich schon ausreichend abgesteckt und untermalt wird das Ganze mit einer Darbietung, die einmal mehr brechende Geschwindigkeit mit schönen, melodischen Gitarren- und Gesangslinien verbindet, ohne dabei eine gewisse Grundhärte vermissen zu lassen. Solche Songs sind es, auf die man hofft, wenn man eine Poltergeist-Platte auflegt!
    8/10 Pkt.

    8. Megalomaniac:
    Mit "Megalomaniac" wiederum erreichen wir den wohl härtesten Song der Scheibe. Der Beginn führt den Hörer noch behutsam mit einigen choralen Anklängen ein, doch schnell regiert hier der Vorschlaghammer mit brachialem Uptempo und einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Sicher, Poltergeist begeben sich auch hier nicht gerade in Death Metal-Gefilde - das wäre einfach nicht der Stil der Band -, sondern bewahren sich immer ein gewisses Quantum Eingängigkeit, doch ist das dem Song eigentlich nur positiv anzurechnen.
    8/10 Pkt.

    9. Ambush:
    Auch mit "Ambush" kann das angeschlagene hohe Niveau der letzten Nummern gehalten werden. Überraschenderweise dominieren gerade auf den hinteren Plätzen der Tracklist die geradlinigen, weniger experimentellen Songs, die mit hoher Geschwindigkeit nach vorne gehen und auch auf den Achtziger-Jahre-Alben der Band eine gute Figur abgegeben hätten. Eben jenes Urteil lässt sich auch über diesen Song fällen - bestes Schweizer Qualitäts-Futter!
    8/10 Pkt.

    10. Thin Blue Line:
    Erst ganz zum Schluss wird es dann doch nochmal etwas experimenteller. "Thin Blue Line" verbindet als Closer des Albums melodische Gitarren mit auf den ersten Blick sehr uneingängigen Drums, die sich der Hörer erst erarbeiten müssen, ehe sie in den Kontext des Songs passen. Immer wieder folgen Breaks und Richtungswechsel zur Untermalung des bedeutungsschwangeren Textes. Das alles klingt freilich tatsächlich schlimmer als es ist, Poltergeist gehen nämlich im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die sich an solchen Songs versuchen, nicht komplett baden, doch ist im Vergleich zu den letzten Nummern schon ein gewisser Spannungsabfall spürbar, sodass das Album seinem Ende ein Wenig entgegenplätschert.
    6/10 Pkt.

    Fazit:
    Ein interessantes Album ist "Feather Of Truth" auf jeden Fall geworden. Poltergeist vermischen Härte und Melodie, wie man es von ihnen kennt, in den verschiedenen Songs in unterschiedlichem Maße, sodass alle Tracks eindeutig voneinander zu unterscheiden sind und auch nach mehrfachem Hören keine Langeweile aufkommt. Zudem hat das Quintett eine Reihe sehr potenter Hit-Kandidaten an Bord, die schnell den Weg in die persönliche Dauerrotation finden. Nichtsdestotrotz gibt es auf dem Album auch einige nicht zu übergehende Ausfälle, die leider den Höreindruck doch deutlich schmälern, zumal wenn einer der Nackenschläge den Hörer noch recht am Anfang des Albums trifft. Trotzdem haben Poltergeist unter dem Strich ein gutes Thrash Metal-Album veröffentlicht, wenngleich der Vorgänger "Back To Haunt" das etwas konstantere Machwerk darstellte und deshalb im Zweifel wohl vorzuziehen wäre.

    Strapped on the table
    The operation begins
    Caught in the fable
    The doctor is in...

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