• Anmerkung am Rande: Ich habe bei diesem Review versuchsweise auf Punkte-Wertungen für die einzelnen Songs verzichtet und stattdessen einen Fließtext verfasst, von dem ich hoffe, dass er einen besseren Lesefluss ermöglicht. Falls es zu diesem Vorgehen Meinungen gibt, dürfen diese natürlich unter diesem Post gerne kundgetan werden.
    - Simon

    Review: Raven - Metal City:

    Dass Raven zu den absoluten Urgesteinen der britischen Metal-Szene gehören und eine der einflussreichsten Bands der NWoBHM darstellen, kann dem Trio aus Newcastle sicherlich niemand absprechen, wenn sie auch in der breiten Öffentlichkeit bisweilen ein Wenig untergehen. In schöner Regelmäßigkeit liefern die Briten Headbang-Futter für den traditionsbewussten Metaller mit einer gesunden Neigung zum Highspeed-Segment. Großtaten, wie sie die Gruppe Anfang der Achtziger veröffentlichte, gehören zwar schon lange der Geschichte an, Ausfälle wie das mediokre "Glow" (1995) sind aber auch selten. Nun sind seit dem letzten Studio-Output "ExtermiNation" auch bereits wieder fünf Jahre ins Land gezogen und selbst das Besetzungskarussell hat sich in dieser Zeit gedreht; so haben die sonst so kontinuierlich arbeitenden Briten Langzeit-Drummer Joe Hasselvander geschasst und durch Mike Heller ersetzt, der sich mit seinen achtunddreißig Lenzen gegenüber den Gebrüdern Gallagher geradezu als Jungspund ausnimmt. Doch ist diese Frischzellenkur auch auf dem neuen Output mit dem programmatischen Titel "Metal City" zu bemerken?

    Der Opener "The Power" lässt eben dies zumindest vermuten. Die Nummer ist zu einhundert Prozent als typischer Raven-Track zu identifizieren und geht mit viel Schwung und Enthusiasmus Speed-lastig in die Vollen - allerdings nicht ohne eine gewisse Finesse, denn zum Refrain wird die Herangehensweise plötzlich geändert und das Trio kommt mit einem coolen Groove um die Ecke. Ergebnis ist ein Song mit hohem Wiedererkennungswert und ein gelungener Start in die CD.

    Auf dem Fuß folgt mit "Top Of The Mountain" die erste Single des Albums, die schon bei ihrer Auskopplung voll zu überzeugen wusste und sich auch nach mehrfachem Hören nicht abnutzt. Man fühlt sich unweigerlich in die frühen Achtziger versetzt, als Raven noch zu den jungen Wilden gehörten, die Englands Musikszene erschütterten. Eine perfekte Verkörperung des von der Band selbst gewählten Labels als "Athletic Rock" und ein weiterer echter Achtziger-Jahre-Hammer!

    Und auch weiterhin fällt die Qualität nicht ab, im Gegenteil wird mit "Human Race" die Schlagzahl sogar nochmal erhöht. Mit einem John Gallagher, der quietscht und kreischt wie zu seinen besten Zeiten, kommt man hier beinahe thrashig um die Ecke, verrät dabei aber keineswegs seinen ureigenen Stil - und warum auch, waren doch Raven in den Achtzigern maßgeblich daran beteiligt, dass Bands wie Metallica oder Anthrax überhaupt erst ihre Arbeit aufnehmen konnten! Nicht zu verachten ist hier auch das Drumming von Mike, dem man eigentlich ein ganz eigenes Kapitel dieses Reviews widmen müsste und der insbesondere bei dieser Highspeed-Nummer ganze Arbeit leistet.

    Der nun folgende Titeltrack war auch gleichzeitig die zweite Single von "Metal City", wobei man sich hier, wie bei so vielen Alben, fragen muss, weshalb die Band gerade ihre unauffälligste Nummer als Appetizer für das Album auf den Markt warf. Sicher, schlecht ist das hier nicht, aber man macht es sich so ein Bisschen in seinem moderat harten Midtempo-Groove bequem, ohne große Begeisterungsstürme auszulösen. Das Ganze klingt so ein wenig nach den lascheren, satten Alben von Raven und obwohl Mark Gallagher an der Gitarre mit einer feinen Leistung noch einiges rausholt, fällt das Niveau im Vergleich zum starken Start der Platte dann doch etwas ab. Wohl der schwächste Song der Scheibe.

    Ganz anders sieht es da schon mit "Battlescarred" aus. Auch hier regiert zwar die gemächliche Gangart, doch werden die hymnischen Mitmach-Parts immer wieder durch kleinere Energie-Schübe aufgelockert, sodass die Nummer tatsächlich den Vibe der klassischen Songs aus der Frühphase der Band atmet und sich mit ihrem enormen Hit-Potential zu einem der allerbesten Tracks der Platte mausert. Warum man diesem Stück den Titelsong als Single vorgezogen hat, wissen Raven wahrscheinlich selbst nicht so genau, aber sei's drum: Geil ist das Ding auch so!

    "Cybertron" dagegen geht in Ansätzen in dieselbe Richtung wie "Metal City". Auch hier geht die Band nicht ganz an die Belastungsgrenze, lebt aber dafür stellenweise ihre eher Rock-lastige Seite aus, die bei den Raben-Brüdern ja auch seit jeher immer mal wieder durchschien. In der musikalischen Umsetzung schlägt man den Titeltrack also doch deutlich und der einzige echte Negativ-Punkt bleiben hier Johns Vocals; der Frontmann ist ja allgemein das Element an Raven, an dem sich in der Metal-Szene die Geister scheiden, aber bei dieser Nummer klingt er dann doch selbst für den eigentlichen Fan seines Gesangs ein wenig sehr krude. Abgesehen davon aber eine weitere gute Nummer!

    Der nächste Song hört auf den Titel "Motorheadin'" und stellt - wer hätte es gedacht? - eine Hommage an eine gewisse andere britische Hartwurst-Institution dar. Jetzt mag man vielleicht bemängeln, dass Raven damit knapp fünf Jahre nach dem Tod von Lemmy Kilmister recht spät dran seien, doch stellt "Metal City" nun einmal das erste Studioalbum dar, das die Band nach dem Ende von Motörhead aufgenommen hat. Nachdem diese mit Raven schon immer die urige, knarzige Schlagseite in ihrer Musik teilten, muss sich um das Gelingen dieses musikalischen Grußes ohnehin nicht gesorgt werden - ganz im Gegensatz zur missglückten Bon Scott-Hommage "Thunder Down Under" vom letzten Album der Gruppe; Mike macht sich an den Kesseln einmal mehr unverzichtbar und ab geht die Luzi, dass es Mr. Kilmister sicherlich eine Freude wäre, könnte er es noch erleben. Geil!

    "Not So Easy" nimmt sich in der Folge wieder etwas zurück; die Nummer tendiert einmal mehr in Richtung rockiger Gefilde und liefert dabei den Musikern auch die Gelegenheit, sich in technischer Hinsicht zu beweisen, wobei sich Mike einmal mehr sehr hervortut. Dass Dave Hasselvander die Gruppe vor zwei Jahren verlassen musste, war traurig und als er durch jenen Drummer ersetzt wurde, der vor allem von Fear Factory und Success Will Write Apocalypse Across The Sky bekannt war, musste einem eigentlich Angst und Bange um Raven werden, doch tatsächlich trägt Mike Heller dieses Album mit seinem Spiel, zeigt sich abwechslungsreich und lässt sogar Blastbeats mit in die Darbietung einfließen (!), bleibt dabei aber doch immer songdienlich und schafft es dadurch, auch eine etwas zahnlose Nummer wie diese noch locker über das Mittelmaß zu erheben.

    Die direkte Antithese zum letzten Song folgt dann mit "Break", einem brachialen Brecher und wohl einem der härtesten Songs in der Band-Geschichte von Raven. Hier geht es mit Vollgas zur Sache, die Rhythmus-Sektion walzt sofort alles platt und dann fegt ein böses Riff über den Hörer hinweg, dass es eine wahre Freude ist. Dass die Herren mit jenseits der sechzig Jahre (mit Ausnahme von Mike) noch einmal so austeilen, hätte wahrscheinlich nicht jeder für möglich gehalten, aber hier werden keine Gefangenen gemacht - eine eindrucksvolle Machtdemonstration der Band!

    Zum Abschluss gibt es dann das wiederum etwas kontrolliertere "When Worlds Collide", das gleichzeitig auch den längsten Song des Albums darstellt. Episch und atmosphärisch, erinnert der Song ein wenig an die "Longtracks" (für Raven-Verhältnisse) der ganz frühen Alben der Band, wobei deren Klassiker-Qualitäten dann doch nicht ganz erreicht werden. Von einem enttäuschenden Abschluss zu sprechen, wäre dennoch maßlos übertrieben, vielmehr gibt die Band dem Hörer einen Moment zum Durchschnaufen, ehe sich die Scheibe dann schließlich abschaltet.

    Fazit:
    Raven are back - und wie! Hatte die Band schon mit ihren letzten Alben immer überzeugen, wenn auch nicht mehr richtig begeistern können, so hat man für "Metal City" noch einmal die Ärmel hochgekrempelt und die letzten fehlenden fünf Prozent Energie draufgelegt, die gerade für diese Gruppe so entscheidend sind und ihren Athletic Rock so unwiderstehlich machen. Eine große Rolle dürfte dabei Mike Heller gespielt haben, der seinen älteren Kollegen offenbar einen kräftigen Tritt in den Hintern versetzt hat und entgegen aller Erwartungen schon jetzt einen absolut tragenden Pfeiler in der Band darstellt. Raven sind sich selbst treu geblieben, aber sie haben die entscheidenden Stellschrauben noch einmal nachjustiert und das Ergebnis ist das stärkste Album, das diese Gruppe nach den Achtzigern überhaupt veröffentlicht hat; in diesem Sinne sollte auch das massiv beknackte Cover keinen Metaller vom Kauf der Scheibe abhalten!

    ANSPIELTIPP:

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