KK's Priest - Sermons Of The Sinner

  • Kurz-Review: KK's Priest - Sermons Of The Sinner

    Beinahe hatte ich mich schon damit arrangiert, zum Debüt-Album von KK's Priest keine Worte auf dieser Seite zu verlieren - zum Einen aus persönlichem Zeitmangel, zum Anderen auch, da das Scheibchen allerorten wesentlich kontroverser diskutiert wird, als es der bloße musikalische Output eigentlich rechtfertigt. Doch je mehr man sich in entsprechende, insbesondere online in den Kommentarspalten diverser Fachmagazine sich entspinnende Debatten einliest, desto mehr muss man den Eindruck gewinnen, dass hier mit KK Downing und seinem Werk nicht immer ganz fair ins Gericht gegangen wird. Sehr häufig liest man dieser Tage den plakativ vorgetragenen Vorwurf, bei "Sermons Of The Sinner" handle es sich um nichts weiter als einen einfachen Judas Priest-Abklatsch, und ebenso oft wird hervorgehoben, welch formulaischer Metal hier "by the numbers" heruntergespielt werde. Ich zitiere aus einem jüngst im Portal ewiger Weisheit, den Metal Archives, erschienenen Ausbund rezensentischer Ausgewogenheit: "An AI could write better music" - null von hundert Punkten für "Sermons...".

    Nun ist es sicher verständlich, dass nach der Vorgeschichte zwischen KK und seinen vormaligen Bandkollegen von Judas Priest in beiden Fan-Lagern viele Emotionen im Spiel sind, doch sollte Einem dieser Umstand nicht den Blick auf die geschichtlichen Gegebenheiten verstellen; und die liegen nun einmal so, dass KK derjenige war, der die Gruppe dereinst zusammen mit Ian Hill gegründet und sie mit seiner musikalischen Identität geprägt hat, noch bevor Musiker wie Rob Halford oder Glenn Tipton überhaupt zur Band gestoßen waren. Mit anderen Worten: Wenn irgendjemand auf diesem Planeten das Recht hat, so zu klingen wie Judas Priest, dann ist das KK Downing und da nimmt es sich doch etwas fadenscheinig aus, wenn mitunter Metalheads, die bislang nie ein Problem damit hatten, dass wohl fünfundsiebzig Prozent der in Schweden in den letzten zehn Jahren gegründeten Bands so klingen, als hätten ihre Mitglieder im Leben noch nichts Anderes gehört als Alben von Iron Maiden und Judas Priest, die erschienen, lange bevor die Jungspunde überhaupt das Licht der Welt erblickten, sich nun genötigt fühlen, diesen Umstand ausgerechnet im Falle von KK's Priest zum Hauptangriffspunkt ihrer Kritik zu machen. Wer will von einem siebzigjährigen Heavy-Veteranen erwarten, dass er plötzlich ein Thrash Metal-Album veröffentlicht? Davon abgesehen bleibt aber natürlich der Fakt bestehen, dass KK mit seinem Bandnamen wie mit seinem Gebaren im Vorfeld der Veröffentlichung von "Sermons..." den Vergleich zu den "echten" Priestern geradezu provoziert hat und dass deren monumentales letztes Machwerk "Firepower" selbstverständlich die Marke ist, an der sich "Sermons Of The Sinner" messen lassen muss. Doch ist es mit den musikalischen Übereinstimmungen zwischen den beiden Scheiben überhaupt so weit her, wie allgemein gerne angenommen wird?

    Tatsächlich lautet die Antwort hierauf: Keineswegs! Im Gegenteil muss man sich schon sehr wundern, wie jemand, der sich "Sermons..." einmal unvoreingenommen angehört hat, auf die Idee kommen kann, es hier mit einem bloßen Abklatsch zu tun zu haben. Sicher, gewisse Parallelen sind naturgemäß gegeben: Der Ripper hat den Sprung ins Musik-Business nicht ohne Grund über seine Stelle in einer Judas Priest-Coverband geschafft und klingt auch nach wie vor deutlich nach Rob Halford, schlägt aber altersbedingt den Metal God im gesanglichen Vergleich relativ deutlich. Derart geile Screams wie auf dem genialen Titelsong wird man von Mr. Halford wohl in diesem Leben nicht mehr zu hören bekommen. Die Single "Hellfire Thunderbolt" wiederum stellt eine eindeutige Antwort auf Judas Priests "Lightning Strike" dar. Hier mag man mit ein wenig böswilliger Grundintention tatsächlich den Vorwurf des Plagiarismus' anbringen, wenngleich man KKs Machwerk zugute halten darf, dass es für sich betrachtet durchaus zündet und einen kompetenten Banger darstellt. Zudem klingt natürlich auch KK Downings Spielstil an der Gitarre noch heute so, wie er es seinerzeit schon bei Judas Priest getan hatte; leider fehlt ihm bei Songs wie dem sehr schönen, melodischen "Raise Your Fists" ein wenig der kongeniale Widerpart eines Glenn Tipton - AJ Mills bleibt das ganze Album über viel zu unscheinbar, um diese Rolle ernsthaft einnehmen zu können -, doch andererseits ist ja bei Judas Priest mittlerweile ebenfalls nur noch wenig von der einstigen Gloria an der Sechssaitigen verblieben.

    Und doch setzen KK's Priest auf ihrem Debüt-Album immer wieder unüberhörbar eigene Akzente. Allen voran ist hier das Bassspiel auf "Sermons Of The Sinner" zu erwähnen; man mag KK fast Kalkül unterstellen, in Ian Hills Bass den potentiellen Schwachpunkt im Judas Priest'schen Bandgefüge ausgemacht und gerade hierauf beim Songwriting für die eigene Band besonderen Wert gelegt zu haben. In jedem Fall ergeht sich Tony Newton über fünfzig Minuten unermüdlich in überaus interessanten Bass-Linien und steht damit ganz im Gegensatz zu den Drums, die solide, aber auch weitgehend unspektakulär vor sich hin laufen; hier wäre es interessant, zu hören, wie das Album geklungen hätte, hätte sich Original-Trommler Les Binks nicht aufgrund gesundheitlicher Probleme aus der Band zurückziehen müssen. Auffällig ist auf "Sermons Of The Sinner" auch eine immer wieder durchscheinende, geduldig ausgreifende, unterschwellig progressive Herangehensweise, die eine komplette Antithese zum Schaffen von Post-KK-Judas Priest darstellt. Allein dass man auf "Firepower" ganze vierzehn Songs in 58 Minuten abhandelte, belegt einen Fokus auf eingängigen, Refrain-lastigen "Hit-Metal". "Sermons Of The Sinner" dagegen nimmt mit seinen zehn Tracks eine annähernd vergleichbare Spielzeit in Anspruch und gerade Songs wie das geniale "Metal Through And Through" oder der - stellenweise vielleicht doch eine Verschnörkelung zu lang geratene - Closer "Return Of The Sentinel" atmen den Spirit einer längst vergangenen Band-Ära. Die Grundidee hinter den längeren Songs der allerersten Priest-Alben, als die Band noch mit einem leichten Art Rock-Einschlag flirtete, findet sich hier mit aktuellen Produktionsmitteln - und nicht zuletzt nach der Entwicklung eines kompletten Musik-Genres unter der Mithilfe der Priester - modern umgesetzt und das allein macht "Sermons..." zu einem unglaublich spannenden musikalischen Zeugnis.

    Unter dem Strich ist "Sermons Of The Sinner" verglichen mit der letzten Judas Priest-Scheibe damit sicherlich das anspruchsvollere und auch das reifere Werk geworden. Nichtsdestotrotz würde ich persönlich im Zweifel jederzeit "Firepower" den Vorzug geben, so ich mich denn entscheiden müsste. Während sich beide Bands gleichermaßen in lyrischen Plattitüden ergehen, die man nur entweder lieben oder hassen kann, finden sich auf dem KK's Priest-Debüt doch vereinzelt Songs, die musikalisch etwas blass bleiben, sodass der Longplayer gegenüber dem Feuerwerk namens "Firepower", auf dem ein Banger nach dem anderen zum befreiten Mitgrölen einlud, einen schweren Stand hat. Dennoch spielen beide Werke durchaus in einer vergleichbaren Liga - und das ist doch vielleicht das Tröstliche für den Fan jedweder Priester, dass, wenngleich man das Original wohl nie wieder vereint erleben wird, er sich zumindest an zwei distinkt unterschiedlichen, aber doch gleichermaßen starken Rumpftruppen erfreuen kann. Um es mit einem der Highlights von "Sermons..." zu formulieren: Hail for the Priest!


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