Kotzer der Woche #145: Onslaught - Welcome To Dying

  • Wenn man unter Metal-Fans nach der stärksten britischen Thrash Metal-Band fragt, dann dürfte die Antwort zumeist relativ eindeutig ausfallen. Sicher, der Eine oder Andere dürfte wohl an dieser Stelle Sabbat in den Ring werfen und mancher Avantgardist könnte vielleicht eine Argumentation zugunsten von Xentrix vorbringen, aber die communis opinio geht doch wohl berechtigterweise dahin, dass auf dem britischen Prügel-Thron nur die Bristoler Herren von Onslaught Platz nehmen können. Diese machten sich vor allem mit ihrem 1986 erschienenen Klassiker "The Force" unsterblich, mit dem sie sich als eine der führenden Gruppen in der härteren Thrash-Schiene etablierten und problemlos mit den stärksten unter den deutschen und amerikanischen Formationen, wie Kreator oder Dark Angel, die jeweils im selben Jahr ihre respektiven Meisterwerke veröffentlichten, konkurrieren konnten. Leider Gottes aber fand sich in England zu dieser Zeit keinerlei nennenswerte Thrash-Szene, sodass die benannte Scheibe trotz ihrer enormen Qualität der Gruppe finanziell nicht zum verdienten Durchbruch verhalf. In der Folge brachen Onslaught auseinander; und während der Verlust von Leadgitarrist Jase Stallard und Bassist Paul Mahoney schmerzte, so stellte der Abgang von Sänger Sy Keeler für die Band eine Katastrophe dar.

    Was also tun, war die Frage, mit der sich Drummer Steve Grice und Rhythmusgitarrist Nige Rockett befassen mussten. Aufgeben kam nicht infrage und so rekrutierte man also in Steve Grimmett einen neuen Frontmann. Letzterer war in der englischen Metal-Landschaft alles Andere als ein unbeschriebenes Blatt und hatte gerade erst seine eigene Kapelle, Grim Reaper, an die Wand gefahren. Doch während sich dieser Personalwechsel im ersten Moment nach einem nominellen Gewinn für Onslaught anhören mag, lagen doch die Probleme von vorneherein auf der Hand: Grim Reaper waren eine NWoBHM-Band und zählten selbst in dieser Bewegung noch zu den zahmeren Outfits. Zu einem brutalen Thrash Metal-Kommando konnte Steves Stimme unmöglich passen. Also wurde die musikalische Marschrichtung angepasst; Streamlining war das erste Gebot der Stunde, immerhin wollte man ja endlich den großen Durchbruch schaffen. Das zweite Gebot dagegen bestand im Stichwort Progressivität. Onslaught war natürlich nicht verborgen geblieben, welchen Ruhm Metallica kürzlich mit ihrer "... And Justice For All"-Scheibe eingeheimst hatten, und dieser wollten die Briten ein ähnliches Machwerk entgegenstellen.

    Das Produkt dieser beiden vereinten Neuausrichtungen erschien 1989, hörte auf den Titel "In Search Of Sanity" und bereitete der Karriere von Onslaught ein jähes Ende. Binnen dreier Jahre war aus dem bekannten, Blitzkrieg-artigen Sound der Engländer ein zahnloses, aber dafür umso raumgreifenderes Genudel geworden. Zu den negativen Highlights der Scheibe gehörte einerseits das "Let There Be Rock"-Cover, bei dem es den Thrashern in unerklärlicher Weise gelang, softer zu klingen als das Original von AC/DC, andererseits das hier vorgestellte "Welcome To Dying". Mit zwölf Minuten Laufzeit vereint die Ballade das Schlimmste aus der kraftlosen sowie der verkopften neuen Richtung, die sich die Band einzuschlagen vorgenommen hatte. Fünfeinhalb Minuten lang tönt ereignisarmes Soft-Gerocke aus den Lautsprechern, um dann in einen zumindest kompositorisch etwas wertvolleren, dabei aber keineswegs inspirierteren Instrumental-Part überzugehen, der seine Laufzeit durch nichts zu rechtfertigen vermag; die gesamte hier gebotene Musik klingt original, als handle es sich um Ausschussmaterial, welches Metallica aus Qualitätsgründen bei der Komposition von "One" nicht berücksichtigt haben. Wer diese Nummer hört, für den wird völlig offensichtlich, warum für Onslaught in der Folge Schicht im Schacht war.

    Die Auferstehung folgte erst fünfzehn Jahre später. Steve Grimmett kehrte zu Grim Reaper zurück, die er unter leicht angepasstem Namen reformierte, und Onslaught starteten ihrerseits einen neuen Anlauf. Mit an Bord: Sy Keeler, den der Thrasher auf "In Search Of Sanity" so schmerzlich vermisst hatte. Seither erfreuen uns die Engländer fernab aller kommerziellen Interessen wieder mit hochqualitativem Thrash Metal und fanden so zu alter Klasse zurück. Sollte jedoch beim einen oder anderen Bandmitglied doch noch einmal das Bedürfnis aufkommen, in Richtung des Mainstream zu schielen, so kann man nur hoffen, dass es sich vorher noch einmal "Welcome To Dying" anhört; es sollte Warnung genug sein.

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