• Review: Destruction - Diabolical

    Es ist endlich so weit: Knapp drei Jahre nach "Born To Perish" veröffentlichten Destruction gestern ihr fünfzehntes Studioalbum "Diabolical" und dank günstiger Umstände sind wir schon heute in der Lage, unseren Review zu dieser Scheibe zu liefern. Das ist vor allem deshalb umso erfreulicher, als man auf den Rundling als Thrasher ja durchaus mit Spannung und vielleicht auch ein wenig mit gemischten Gefühlen wartete, handelt es sich doch um die erste Platte in der Geschichte der Badenser, auf der nicht Mike Sifringer an der Gitarre zu hören ist. Dies stellte die Band nach vierzig Jahren ihres Bestehens doch vor einen größeren Umbruch, zumal Ersatzmann Martin Furia sich im Thrash Metal bislang nur bedingt auf dem höchsten Qualitätslevel beweisen konnte und sicherlich auch nicht über die Songwriting-Erfahrung verfügt, mit der Mike den urtypischen Destruction-Stil über Dekaden geprägt hat.

    Die Vorab-Veröffentlichungen gliederten sich in drei Volltreffer und einen eher müden Track und so nimmt man dann nicht ohne Spannung den Silberling aus der Hülle, von deren Cover ein recht untot anmutender Gevatter dem Metalhead freundlich mit seiner dem restlichen Körper abhold gewordenen Rechten entgegen salutiert. Zunächst breiten sich die Klänge des Intros "Under The Spell" im Raume aus, welches man in verkürzter Fassung auch schon am Anfang des Musikvideos zum Titeltrack zu hören bekam. Keines der ansprechendsten Destruction-Intros, aber an sich natürlich hinsichtlich der musikalischen Darbietung auch nicht besonders aussagekräftig.

    So richtig ernst machen Schmier und die Nachwuchs-Zerstörer dann erstmals mit dem Titelsong und liefern umgehend eine ihrer memorabelsten Abrissbirnen der letzten zehn Jahre ab. Die Gitarren schneiden mit absoluter Präzision und urwüchsiger Macht und die Band scheint fest entschlossen, die Slayer-Nachfolge ein für allemal in deutschen Landen zu verankern. "Diabolical" ist ein mächtiger Auftakt, der sofort klarstellt, dass Destruction nach Mikes Ausstieg keinesfalls einen Gang zurückzuschalten gedenken!

    Und der Nachschlag folgt auf dem Fuße, denn "No Faith In Humanity", ebenso wie der Titelsong bereits vorab als Single ausgekoppelt, schlägt umgehend in dieselbe Kerbe. Im Zweifel sind die Riffs hier sogar noch eine Spur Destruction-typischer - stellenweise tönt die Nummer, als käme sie geradewegs vom "Eternal Devastation"-Album. Die Gitarren schneiden durch alles, was ihnen in die Quere kommt, doch mehr noch beeindruckt Randy Black an den Drums, der einmal mehr deutlich macht, dass er ein ausgezeichneter Thrash-Taktgeber ist und zu Unrecht oft vergessen wird, wenn andere große Namen jener Zunft (Paul Bostaph, John Tempesta, Tom Hunting, ...) gewürdigt werden.

    Auch "Repent Your Sins" war dem eifrigen Follower der News bereits vorab serviert worden, als letzter Appetithappen vor der Albenveröffentlichung, hatte bei seinem Erscheinen jedoch die Vorfreude ein wenig gedämpft. Midtempo-lastig geht es hier zur Sache, was an sich ja nicht verkehrt ist, doch geht leider ein Gutteil der Aggression, die die stärkeren Nummern der Scheibe auszeichnet, verloren. Insbesondere die Strophen scheinen dem ansonsten stimmlich immer noch erstaunlich starken Schmier nicht so richtig zu liegen und auch wenn der Refrain noch einmal ein paar Scheite drauflegt, überzeugt die Nummer nur bedingt.

    Doch lange dauert diese Atempause nicht an, denn schon auf "Hope Dies Last" wird die Thrash-Keule wieder mit bedeutend höherer Intensität geschwungen. Der angeregte Uptempo-Thrasher überrascht mit einem ungewöhnlich positiven Text, in dem Destruction psychische Krankheiten thematisieren, und überzeugt mit einem sehr starken Refrain, der vor allem live zum eifrigen Mitshouten animieren dürfte!

    Ob sich Destruction bei der Namensgebung für das folgende "The Last Of A Dying Breed" bei den Landsleuten von Accept haben inspirieren lassen, wird wohl ihr Geheimnis bleiben; die schlechteste Referenz wäre es allemal nicht. Leider kann der Song selbst jedoch mit dem letzten kaum Schritt halten. Die Nummer wechselt beständig zwischen Mid- und Uptempo, wobei das Grundriff mit seiner ungewöhnlichen Rhythmik in keinem der beiden Segmente so richtig zu Hause zu sein scheint. In den schnellen Parts fehlt ein wenig die Durchschlagskraft, in den langsameren eine konkrete Richtung.

    Glücklicherweise aber fangen sich Destruction erneut schnell, denn mit "State Of Apathy" folgt ein ausgemachter Nackenbrecher. Die Nummer stellte das erste Lebenszeichen der Gruppe in der Post-Sifringer-Ära dar und darf wohl durchaus als kompromissloses Statement für die musikalische Identität der Band gewertet werden. Gut, rein textlich nimmt die Phrasendrescherei auf diesem Song selbst für die Verhältnisse von Destruction, die ja nie für sonderlich hohe Lyrik bekannt waren, bedenkliche Formen an, aber wer instrumental einen derartigen Brecher abliefert, der den Großteil der Konkurrenz ungespitzt in den Boden rammt, dem sei auch das verziehen.

    Eine gänzlich andere Richtung schlägt dann jedoch wieder "Tormented Soul" an, das stellenweise mit dezidierten Groove-Anleihen à la Pantera aufwartet. Nun gibt es durchaus einige Bands, die derartige Anklänge effektvoll ins 21. Jahrhundert gebracht haben - man blicke auf Exodus oder Overkill -, doch gehören Destruction nicht zu den Meistern dieser Kunst. Hier hört sich das alles an wie etwas, was man den Leuten in den Neunzigern als Oldschool-Thrash verkauft hätte, weil Besseres in jenem Genre gerade nicht vorlag. Vielleicht die belangloseste Nummer des Albums.

    Dem steht in der Folge freilich schon wieder ein kleines Highlight gegenüber. "Servant Of The Beast" fällt für Destruction-Verhältnisse beinahe komplex aus und verfügt über eine ganze Reihe interessanter Parts, wobei eine sehr schöne Balance zwischen Brutalität und Melodie gewahrt wird. Zusammen mit den mitreißenden Gang-Vocals im Refrain kann man sich sehr gut vorstellen, wie die Nummer im Moshpit für allerlei Furore sorgen dürfte.

    Wie bei der Beschreibung der letzten Songs schon deutlich geworden sein sollte, haben Destruction ihr neues Machwerk sehr planvoll nach dem Prinzip eines steten einander Abwechselns von schnellen und gemäßigten Songs strukturiert. Dass man damit dem Midtempo deutlich mehr Raum zugesteht als auf vielen früheren Machwerken, wäre an sich kein Problem, wenn nicht die mittelschnellen Nummern ausnahmslos eine Klasse schlechter wären als die Highspeed-Brecher. Selbiges gilt auch für "The Lonely Wolf"; das, was man hier hört, ist sicher alles nicht schlecht, wobei der Band die gutklassige, traditionsbewusste und dennoch moderne Produktion sogar noch in die Hände spielt, aber unter dem Strich klingen Songs wie dieser hier einfach furchtbar unspannend.

    Es würde wahrhaft ein langweiliges Album drohen, wenn nicht im Kontrast dazu die schnellen Nummern durch die Bank beißen würden. Beweisstück A: "Ghost Of The Past" - eine Drei-Minuten-Granate voller Aggression mit sehr engagierten Drums, die sich im Refrain zu einem wahren Palm-Mute-Inferno steigert und unweigerlich Gedanken an die besten Tage der Band nach der Reunion mit Schmier wach werden lässt.

    Solche Assoziationen kann "Whorefication" ausschließlich textlich wecken, bewegt die Band sich doch auf lyrischem Terrain, das man vor Jahren mit "Carnivore" bereits in ähnlicher Weise beackert hatte. Musikalisch liefern die Zerstörer dagegen einmal mehr nur Durchschnittskost; im Vergleich zum letzten Album fällt auf, dass Damir Eskić diesmal die Hauptlast der Lead-Parts zu tragen hat, da Neuzugang Martin dem Schweizer in dieser Disziplin keineswegs gleichwertig gegenübersteht. Zumindest in dieser Hinsicht macht sich der Wegfall von Mike also durchaus negativ bemerkbar, geht doch der Band dadurch ein Stück der erst vor drei Jahren neu gewonnenen Variabilität direkt wieder verloren.

    Abschließend liefern Destruction noch ein Cover des GBH-Klassikers "City Baby Attacked By Rats". Dass Schmier eine gewisse Vorliebe für die Wegbereiter des Thrash nicht nur auf der Metal-, sondern auch auf der Punk-Seite hat, dokumentierte er ja bereits in den Achtzigern eindrucksvoll mit der Neuinterpretation von Plasmatics’ "The Damned" und wie damals liefert die Gruppe auch diesmal eine interessante Bearbeitung, die dem Original durchaus Ehre macht, dabei aber natürlich mehr den Charakter eines Gimmicks denn eines wirklich integralen Bestandteils des Albums hat.

    Fazit:
    Inwieweit Destruction auf "Diabolical" den Abgang von Riffmeister Mike gut verkraftet haben, dürfte sicherlich noch eine Weile lang Gegenstand kontroverser Diskussionen bleiben. Fakt ist, dass ja bereits die letzten zwei Alben der Band überaus mittelprächtige Machwerke darstellten und dass im Vergleich hierzu auf der neuen Scheibe sogar eine gewisse Verbesserung auszumachen ist. Auf der anderen Seite ist man nichtsdestotrotz von der Klasse eines "Day Of Reckoning" oder "Spiritual Genocide" noch so einige Schritte entfernt, vor allem, da es dem Quartett nicht gelingt, das Energielevel konstant hochzuhalten. Es wäre wohl ein Sakrileg hier von Altherren-Thrash zu sprechen, aber gegenüber der letzten Sodom-Veröffentlichung schaut "Diabolical" doch ziemlich müde aus der Wäsche und es wird spannend sein, zu sehen, ob vielleicht sogar Kreator mit ihrem kommenden Album eine adäquate Antwort auf den Longplayer der Süddeutschen finden werden (von den jüngsten Scheibletten von Bands wie Paradox oder Necronomicon mal ganz zu schweigen).


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