Anvil - Impact Is Imminent

  • Review: Anvil - Impact Is Imminent

    Die Pandemie scheint zumindest für den Sommer weitestgehend überwunden und so dürfen also auch diverse Metalbands, welche die letzten zwei Jahre über in nicht artgerechter Art und Weise im Heimbetrieb gehalten wurden, endlich wieder durch die Konzerthallen dieser Welt touren. Dies gilt auch für die kanadische Speed Metal-Institution Anvil, welche zum aktuellen Zeitpunkt jenseits des großen Teichs die vereinigten Staaten unsicher macht. Doch nicht nur in dieser Hinsicht gibt das Trio um die Urgesteine Robb Reiner und Lips Kudlow nach wie vor Gas, vielmehr hat man auch einen neuen Longplayer im Gepäck, dessen Titel man sich mal eben ganz frech bei Exodus geborgt hat; "Impact Is Imminent" heißt die neue Scheibe in leichter Variation von Anvils bisherigem Schema bei der Benennung von Alben, nach welchem zwar das erste und das dritte, nicht aber das zweite Wort alliterieren musste.

    Wer sich für einen solchen Albumtitel entscheidet, der muss natürlich auch musikalisch entsprechend abliefern, doch wer den Opener "Take A Lesson" noch nicht vorab als Single zu Gehör bekommen hat, der dürfte vermutlich erst einmal verdutzt vor dem Wiedergabemedium seiner Wahl sitzen. Während die meisten Anvil-Alben der Vergangenheit mit einem zügigen Rocker geradlinig nach vorne starteten, wird "Impact Is Imminent" von Dave Grohl eröffnet, welcher ankündigt, welche Band dem Hörer die nächsten fünfzig Minuten über die Gehörgänge massieren wird - offenbar ein Service für die Analphabeten unter uns, die beim Blick auf das Cover noch nicht verstanden haben, mit welcher Gruppe sie es zu tun haben. Aber auch nach dieser eher überflüssigen Einlage entspinnt sich ein strikt im Midtempo verorteter Rocker ohne jede Ambition, ins obere Temposegment vorzudringen. Das ist ungewöhnlich, doch weil die Nummer ausreichend Durchschlagskraft hat und zudem noch über einen sehr ohrwurmverdächtigen Refrain verfügt, geht die Rechnung am Ende tatsächlich auf.

    But fret not, liebe Speed-Fanatiker, denn euer Song folgt gleich direkt im Anschluss. "Ghost Shadow" war nicht umsonst die erste Single, die man von dem neuen Silberling zu hören bekam, handelt es sich hier doch um eine bandtypische Speed-Hymne mit einem guten Schuss Melodie, Robbs wie immer sehr ausdrucksstarkem Drumming und einem treibenden Gitarrenriff. In umgekehrter Reihenfolge hätten die beiden Nummern sicher den intuitiveren Startschuss für das Album abgegeben, aber auch so können beide Songs überzeugen.

    Selbiges lässt sich über das nachfolgende "Another Gun Fight" leider nur bedingt sagen. Die Ahornblätter versuchen sich hier an einer langsam mahlenden Nummer und packen direkt zu Beginn auch eines ihrer typischen, tonnenschweren Riffs aus; doch sobald der Gesang einsetzt kommt unverständlicherweise eine weniger getragene, ja beinahe muntere Variation des benannten Riffs zur Aufführung, die leider sämtliche Heaviness fahren lässt. Immerhin kann der Refrain wieder überzeugen, wenngleich die gegen Ende eingestreuten Gangvocals deutlich an die "Pounding The Pavement"-Scheibe erinnern ("Nanook Of The North" anyone?).

    Vergleichbare Effektspielereien an den Vocals beinhaltet auch "Fire Rain", welches ansonsten aber eine gänzlich andere Richtung einschlägt als der vorige Track. Hier handelt es sich um einen knietief in den Achtzigern verwurzelten, energetischen Song, nicht unähnlich etwas, was Anvils Landsmannen von Striker in seligeren Tagen veröffentlicht hätten, ehe sie zur Bongo-Strandband degenerierten; da aber anzunehmen ist, dass Striker ihrerseits Anvil zu ihren großen Idolen zählen, schließt sich an dieser Stelle vielleicht auch der Kreis. In jedem Falle eine klasse Nummer!

    Mit "Teabag" folgt sodann der erste von - so viel sei vorweggenommen - zwei Instrumental-Tracks des Albums, der jedoch nicht eben zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Kurz nach der Jahrtausendwende, als sich die Band auf ihrem kreativen Tiefpunkt befand, gab es Anvil-Alben, die durch ein gelungenes Instrumental gerade noch vor der vollständigen Zweitklassigkeit gerettet wurden, doch dieses Stück hier mit seinem in Dauerschleife wiederholten Blues-Riff regt eher nur zum Schulterzucken an. Dass Chris Robertson am Bass eine starke Leistung abliefert, ist überhaupt nicht in Abrede zu stellen, als banddienlich ist diese jedoch nur schwerlich zu bezeichnen.

    "Don't Look Back" ist dann einer dieser eher entspannten Anvil-Cruiser, sogar original mit Cowbell aufwartend. Recht melodisch geht es hier zur Sache, das Gaspedal wird nicht ganz durchgetreten, während Lips den Lebenserfahrenen mimt, der dem geneigten Hörer Weisheiten mit auf den Weg gibt, wie er seine Lebensziele verwirklichen kann. Musikalisch ist das hier nicht übel und dient als kleine Ruhephase vor dem wohl rabiatesten Abschnitt der Scheibe.

    Den Abschluss der A-Seite des Albums nämlich bildet mit "Someone To Hate" die wohl raubeinigste Nummer des Longplayers. Der Thematik des Stückes angemessen, geht es hier mit Sechzehntel-Geschredder zur Sache, ehe der Refrain mit ein paar fiesen Gangshouts aufwartet. Der gelungene Break vor dem letzten Refrain verleiht dem Lied noch einmal etwas mehr Wiedererkennungswert und steuert die paar Prozentpunkte bei, die darüber entscheiden, ob ein Song "nur" gut ist oder länger in der Rotation bleibt.

    Doch die Canucks sind noch nicht fertig mit ihrer Stampede und deshalb behält der folgende Track die einmal eingeschlagene Marschrichtung direkt bei, wenn uns das Trio auf die "Bad Side Of Town" mitnimmt. Im Großen und Ganzen entfaltet sich hier ein typischer Anvil-Banger, dessen Herzstück jedoch der Refrain darstellt, in welchem die Band einmal mehr gelayerte Gesangsspuren einbaut und ganz verhalten sogar mit ein paar Gitarrenharmonien experimentiert. Das mag am Gelegenheitshörer beinahe unbemerkt vorbeiziehen, für Anvil im Jahre 2022 ist es aber nachgerade progressiv und trägt nicht unerheblich zum Gelingen der Nummer bei.

    Derartige Feinheiten sucht man auf "Wizard's Wand" dagegen weitestgehend vergebens. Nicht nur nimmt die Nummer in Sachen Tempo wieder einen guten Schritt zurück, sondern ergeht sich auch in den simpelsten vorstellbaren Riffs, die zwar im Grundsatze nicht schlecht dargeboten werden, aber wohl doch niemanden mehr wirklich begeistern können. Für Gitarristen könnte der Track aufgrund des gelungenen Solos relevant sein.

    Es folgt das, was dieser Tage wohl als unvermeidlich gelten muss. Wenn der persönliche Kommentar erlaubt sei, so hätte ich eigentlich erwartet, auf viel mehr aktuellen Veröffentlichungen textlich mit möglichst plakativen Abhandlungen über die COVID-19-Pandemie konfrontiert zu werden. Viele Bands haben sich in dieser Hinsicht überraschend vornehm zurückgehalten, doch es war eigentlich abzusehen, dass sich Anvil die Chance nicht entgehen lassen würden, sich an diesem lyrischen Drahtseilakt zu versuchen - und genauso wenig war eigentlich zu bezweifeln, dass sich die Kanadier mit einer enthusiastischen Arschbombe in die Fallgruben jenes Themas begeben würden, was mit "Lockdown" dann auch passiert. Musikalisch hat man es hier mit einer recht getragenen Nummer zu tun, die weder positiv noch negativ auffällt, textlich hat man sich an dem gewählten Thema aber deutlich verhoben.

    "Explosive Energy" wiederum klingt hinsichtlich seines Titels vielleicht etwas rabiater, als es der Song letzten Endes rechtfertigt. Eine richtiggehende Energieleistung kann man der Band an dieser Stelle nur bedingt bescheinigen, vielmehr hat man es hier mit einem ausgemacht traditionellen Gute-Laune-Lied zu tun, das auch auf Anvils Alben der Achtziger eine gute Figur gemacht hätte und in der Tat voll überzeugen kann, wenn man mit den richtigen Erwartungen an den Track herantritt.

    Was das Headbanging-Potential anbelangt, so kommt jedoch erst mit "The Rabbit Hole" wieder die gewünschte Vollbedienung. Ein einfach gestricktes Riff, ein paar wohlplatzierte Gitarrenleads, eine Menge Schwung und nicht zuletzt die Verve der das Gemisch vortragenden Band sind seit jeher die Zutaten, mit denen Anvil (fast) immer überzeugen konnten, und diese einfache Herangehensweise ist 2022 noch genauso effektiv wie vor vierzig Jahren.

    Das folgende "Shock Wave" stellt dann mit beinahe fünf Minuten Laufzeit den längsten Song auf "Impact Is Imminent" dar. Insgesamt fällt auf, dass die Band ihre Darbietungen in der Länge etwas zugeschnitten hat, ist doch das Album mit seinen beachtlichen 14 Songs hinsichtlich seiner Laufzeit immer noch knapp kürzer als das nur zwölf Tracks umfassende letzte Machwerk der Kanadier. Konkret ist das hier besprochene Stück eine gutklassige Nummer, ohne in irgendeiner Weise außergewöhnlich zu sein.

    Damit wäre eigentlich ein ordentlicher Abschluss eines im Großen und Ganzen guten Albums erreicht, doch leider lassen es Anvil dabei nicht bewenden. Zuallererst muss der Hörer zu Beginn des letzten Tracks der Platte freilich denken, hier läge ein Fehler vor und er befinde sich im Besitze einer Fehlpressung, auf der "Teabag" zweimal enthalten ist, bis dann plötzlich Bläser einsetzen und er einsehen muss, dass "Gomez" essentiell genau das ist - eine Bläserversion von "Teabag". Was aber schon im Original ein mangelhafter Song war, das wird auch durch die Hinzunahme von Bläsern nicht besser; zum Glück kann man die Scheibe nach "Shock Wave" einfach abschalten, denn nach diesem Instrumental ist ohnehin das Ende des Albums erreicht.

    Fazit:
    Hinsichtlich der kleinen, dosiert eingebrachten Experimente und Modernisierungstendenzen, die sich gerade in Bezug auf den Gesang bemerkbar machen, hat "Impact Is Imminent" viel mehr mit "Pounding The Pavement" gemein als mit seinem direkten Vorgänger. Möchte man dennoch einmal den Vergleich mit "Legal At Last" wagen, so ist die neuere Scheibe sicherlich das diversere Machwerk; es finden sich hier mehr und zwingendere Hits als auf dem 2020er Longplayer, andererseits aber auch mehr Durchhänger. Dass "Impact..." unter dem Strich dann wohl doch ein My hinter jenem Album zurückstehen muss, ist nicht zuletzt den beiden gesanglosen Stücken anzulasten. Mag ein vermurkstes Instrumentalstück noch innerhalb eines gewissen Toleranzahmens liegen, so sind derer zwei definitiv mindestens eines zu viel. Zugutehalten muss man den Kanadiern freilich, dass sie überzeugend glaubhaft machen, ehrliche Musik um der Sache willen zu spielen. "Impact Is Imminent" wirkt zu keinem Zeitpunkt so kalkuliert und durchgetaktet wie viele andere Alben dieser Tage (beispielhaft sei an dieser Stelle auf die neue Destruction verwiesen). Hier hat man es einfach mit drei alternden Herrschaften zu tun, die den Metal zelebrieren wollen - und genau das tun sie über diese fünfzig Minuten; ob das Ergebnis internationalen Höchstansprüchen genügt oder den bandeigenen Machwerken der Achtziger und Neunziger das Wasser reichen kann, steht auf einem anderen Blatt.


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