Traditional Thursday #171-175: Das Groove-Special!

  • Ein Groove-Special zum Traditional Thursday? Was ist denn hier passiert? Ist der betreffende Verfasser nun endgültig von seinem musikalischen Weg abgekommen?

    Nun, dazu sind einige Worte zu sagen, zumal der Begriff "Groove-Special" die Idee des Konzepts hinter dieser Spezialausgabe eigentlich auch nur sehr verkürzt wiedergibt. Die Neunziger gelten gemeinhin als diejenige Dekade, in welcher das Metal-Genre seine tiefste Krise durchlief, und das nicht ohne Grund, lösten sich doch eine ganze Reihe verdienter Achtziger-Acts während dieser Phase zeitweilig oder gar völlig auf, während andere sich auf mitunter abenteuerliche stilistische Abwege begaben. Gleichzeitig ist das Image der Neunziger aber auch deshalb so schlecht, weil üblicherweise die schlechtesten Subgenres und ihre Vertreter als Repräsentanten dieser Epoche angesehen werden und wurden. In der Tat lassen sich natürlich einige Juwelen auch in dieser Zeit der überall manifesten Krise finden, doch wurden diese schon damals marginalisiert und sind in den meisten Fällen auch bis heute nicht so recht aus ihrem Schattendasein herausgekommen. Diese Lücke soll nun das heute beginnende Special füllen und einige gelungene Nummern der Neunziger und frühen Zweitausender vorstellen. Dabei möchte ich den Blick aber nicht auf die wenigen ehrenwerten Streiter richten, die durch diese Phase hindurch stoisch ihren Achtziger-Stil verfolgten, sondern solche Bands unter die Lupe nehmen, die, aus den Achtzigern kommend, die neuen Stilrichtungen annahmen und sie so verarbeiteten, dass am Ende etwas herauskam, was qualitativ sämtliche Genregrößen der Neunziger von Sepultura bis Pantera ansatzlos an die Wand klatschte, ohne freilich kommerziell auch nur ansatzweise an die Genannten heranzureichen. Es geht also darum, zu zeigen, dass nicht nur Traditionalismus gute Alben und Songs produzieren kann, sondern dass es, wenn auch die meisten Versuche in dieser Richtung grandios fehlschlugen, durchaus auch erfolgreiche Bemühungen gab, Achtziger-Jahre-Metal im Neunziger-Gewand darzubringen.

    Platz 5: Venom - Firelight

    Für die britischen Veteranen von Venom begann die Krise eigentlich nicht erst in den Neunzigern, sondern bereits mit dem Zerbrechen des klassischen Line-ups aus Cronos, Mantas und Abaddon im Jahre 1985. In der Folge kam es zu endlosen Mitgliederwechseln und mit der Hereinnahme von Demolition Man als Sänger entfernten sich die Herren aus Newcastle immer weiter vom Black Metal, den sie ja mitbegründet hatten, und entwickelten sich zu einem generischen Thrash Metal-Act. Entsprechend hoch waren freilich die Hoffnungen, als 1995 die Urmitglieder noch einmal zusammenkamen und zwei Jahre später das "Cast In Stone"-Album veröffentlichten, das sich jedoch lediglich als ein Hybrid aus einem Studioalbum und einer Best Of-Platte erwies. Die Fanschar wartete also weiter gebannt auf den ersten vollwertigen gemeinsamen Longplayer der drei Heroen, zu dem es jedoch nie kam. Kaum war "Cast In Stone" veröffentlicht, kam es bereits wieder zu bandinternen Querelen, die letztlich zum erneuten Ausstieg von Drummer Abaddon führten; für ihn trat Antton, Cronos’ Bruder, der Band bei. In dieser Besetzung erschien dann im Jahre 2000 mit "Resurrection" ein Album, das in seiner Gesamtheit leider als Rohrkrepierer bezeichnet werden muss. Neben einem coolen Artwork hatte die Scheibe nur einen einzigen Hit zu bieten - doch der hatte es dafür in sich! "Firelight" ist alles Andere als ein klassischer Venom-Song, sondern schlug eine eher moderne Richtung ein, im Zuge derer die Nummer mit einem derart gnadenlos marschierenden Mainriff aufwarten konnte, dass es einer jeden Rammstein-Rhythmusfraktion Angst und Bange werden musste - wobei Venom natürlich auf den Einsatz von Keyboards weitgehend verzichten und einen wesentlich organischeren Gesamtsound pflegen als die Berliner. Auf diesem Mainriff baut die gesamte Nummer auf und räumte damit auf dem Gebiet cruisender Boshaftigkeit voll ab. Nach "Resurrection" war dann Schluss für Mantas, der Venom verließ, um von allen Bands der Welt ausgerechnet mit Scooter auf Tour zu gehen (wirklich, bis heute: WTF?!). Venom veröffentlichten in der Folge wieder stärkere, ihrem traditionellen Stil entsprechende Alben, griffen dabei aber auch immer wieder in die Zauberkiste, die sie mit "Firelight" geöffnet hatten; man siehe hierzu beispielsweise "Lucifer Rising", den Hit vom "Metal Black"-Album.

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  • Platz 4: Exciter - Ritual Death

    Auf dem vierten Platz unseres Specials begegnen wir einer Band, deren Werdegang erstaunliche Parallelen mit dem von Venom ausweist. Auch bei Exciter handelt es sich nämlich um ein legendäres Trio (bestehend aus Dan Beehler, John Ricci und Allan Johnson), das 1985 auseinanderbrach, woraufhin ein großes Stühlerücken auf sämtlichen Positionen einsetzte. Ende der Neunziger war von der originalen Besetzung nur Gitarrist John an Bord, doch der wahre Grund, weshalb das 1997 erschienene Album "The Dark Command" sowie später auch noch der Nachfolger "Blood Of Tyrants" so stark waren, war weder sein gewohnt cooles Solo-Spiel irgendwo zwischen dem geordneten Ansatz der Judas Priest-Gitarristen und den Chaos-Eskapaden des Slayer-Duos, noch die patente Rhythmusarbeit von Marc Charron und Rik Charron (nicht verwandt). Das wahre Ass im Ärmel der Truppe war vielmehr Sänger Jacques Bélanger, der wohl am sträflichsten übersehene Vokalist des Metal-Genres. Persönlich führe ich den Herrn unter meinen TOP5, wenn nicht sogar TOP3 der besten Metal-Sänger aller Zeiten und es ist wirklich ein Jammer, dass er nach diesen zwei Alben nie mehr in einem vergleichbar starken Bandgefüge zum Zuge kommen durfte. So bleibt nur, sich an den beiden benannten Langrillen zu erfreuen, mit denen Exciter in einer für den Metal schwierigen Phase voll zu überzeugen wussten. Ein Großteil des Materials auf beiden Scheiben ist recht traditionell gehalten, aber mit einem Song wie "Ritual Death", einem für die Band sehr untypischen Midtempo-Brecher, zeigten die Kanadier eindrucksvoll, dass sie auch vor moderneren Stilelementen nicht zurückschreckten. Stark!

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  • Platz 3: Rage – The Pit And The Pendulum

    Rage sind eine Band, die in ihrer langen Karriere eine Vielzahl von Höhe- und Tiefpunkten erlebt hat, doch entgegen jeglichem Trend im Metal-Genre (dafür aber parallel zu einer Reihe anderer deutscher Power Metal-Kapellen) setzten die Herren aus Herne in den Neunzigern unvermittelt zum Höhenflug an. Das vielleicht stärkste Album der Bandgeschichte erschien dabei 1993 und hörte auf den Titel „The Missing Link“. Es war dies das letzte Album mit Manni Schmidt an der Gitarre, ehe dieser die Band verließ und schlussendlich bei Grave Digger seine neue musikalische Heimat fand, und obwohl Manni sich nur vereinzelt am Songwriting beteiligte, sollte sein Verlust letztlich schwerer wiegen, als man vielleicht hätte meinen können. Auf „The Missing Link“ zeichnete er für einige der flotteren Banger verantwortlich, die voll zu überzeugen wussten. „The Pit And The Pendulum“ dagegen stammt aus der Feder von Drummer Chris Efthimiadis, was man der Nummer auch deutlich anmerkt; einen derart fetten Groove wie in diesem Mainriff haben Rage in ihrer Karriere selten aufgefahren und wenngleich man durchaus einwenden mag, dass der Track doch deutliche Anleihen an Metallicas „Sad But True“ aufweist, so muss man doch konstatieren, dass die Deutschen die Ami-Thrasher in diesem Vergleich nachgerade filetieren. Dabei kommt dem Trio natürlich nicht zuletzt auch die gelungene Produktion von Sven Conquest zugute, die das Teil trotz seines Alters klar und ausdrucksstark wirken lässt. In der Kategorie der wütenden Midtempo-Stampfer kamen an dieser Darbietung damals jedenfalls nur Wenige vorbei!

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  • Platz 2: Slayer – Skeletons Of Society

    Der älteste Eintrag in unserer Liste wurde schon im Jahre 1990 von Slayer auf ihrem „Seasons In The Abyss“-Album veröffentlicht. Selbiges war die letzte Scheibe der Band vor dem Ausstieg von Dave Lobardo und dem damit verbundenen ersten Zerbrechen der ursprünglichen Besetzung und gilt deshalb Vielen als der letzte Eintrag in die klassische Phase der Bandgeschichte. Nach dem Über-Kracher „Reign In Blood“ hatten Slayer schon auf dessen Nachfolger „South Of Heaven“ die Marschrichtung geändert und einen geisterhaft kühlen, klinisch sauberen Longplayer veröffentlicht. „Seasons In The Abyss“ wiederum brachte einen Teil des Thrash-Potentials früherer Jahre zurück, baute aber gleichzeitig die langsameren Passagen zu drückenden, hypnotisch schwebenden Episoden aus. Am stärksten am Trend der Zeit allerdings orientierte sich wohl das hier vorgestellte „Skeletons Of Society“. Das Konzept, seinen Thrash in eine groovende Richtung zu perspektivieren, war 1990 schon nicht mehr ganz neu, bereits zwei Jahre zuvor hatten Metallica mit „Eye Of The Beholder“ eine vergleichbare Nummer veröffentlicht und tatsächlich scheinen sich Slayer in einem gewissen Maße an diesem Song orientiert zu haben, als sie „Skeletons Of Society“ schrieben. Ein Faktor, der das Ergebnis bei der bösesten Thrash-Band ihrer Zeit gegenüber der Vorlage jedoch deutlich aufwertete, war die instrumentale Qualität, namentlich jene an den Drums. Dabei ist es gar nicht nötig, groß Worte zur Klasse von Lars Ulrichs Spiel zu verlieren, denn was der bereits angesprochene Dave Lombardo hier abzieht, ist ohne Zweifel eine der absoluten Großtaten, die man von Thrash Metal-Drummern seit bestehen des Genres zu hören bekam. Nicht nur technisch brillant, verfügt Dave über ein untrügliches Gefühl dafür, welche Licks und Fills ein Song gerade braucht, um ihn aufzuwerten, ohne sich dabei künstlich in den Vordergrund zu spielen, und dieses Gespür spielt der Schlagzeuger auf der benannten Nummer voll aus. Das stoisch groovende Riff von Kerry King und die quietschenden Soli der beiden Sechssaiter setzen diesem genialen Machwerk nur noch die Krone auf und zeigten schon zu Beginn der neuen Dekade auf, wie man starke Grooves in den Metal einführen konnte. Leider konnten sich jene Bands, die später den Groove Metal als eigenständiges Genre begründeten, hiermit in keinster Weise vergleichen.

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  • Platz 1: Accept - Dead On!

    Platz eins in unserem Special geht an das deutsche Metalflaggschiff von Accept mit einem großartigen Song von einem sträflich unterbewerteten Album der Neunziger. Wolf, Udo und ihre Mitstreiter hatten sich nach ihrer zeitweiligen Auflösung 1993 mit der starken "Objection Overruled"-Scheibe zurückgemeldet, die sich an den Bandklassikern um "Restless And Wild" orientierte und bei Kritikern und Fans gleichermaßen Bestnoten einheimste. Auf dem nur ein Jahr später veröffentlichten "Death Row" zeigten sich Accept dagegen eine ganze Ecke experimenteller und aufgeschlossener gegenüber aktuellen musikalischen Trends, was ihnen von Puristen vielfach bis heute als großes Sakrileg ausgelegt wird. Tatsächlich jedoch zeigten sich die Solinger auf diesem Album von ihrer besten Seite und das gilt besonders für Gitarrenhexer Wolf Hoffmann. Was dieser Mann hier abliefert, muss zweifelsohne zu den besten Leistungen gezählt werden, die je ein Metal-Gitarrist auf Polycarbonat gebannt hat. Jede Leerstelle im Songgefüge wird mit einem phantastischen Solo oder Lead veredelt, dabei aber nicht die Riffarbeit vergessen, wovon ein Mainriff wie das des kinetischen, geradezu Flummi-artig rockenden Killers "Dead On!" bestes Zeugnis ablegt. Sicher sind hier unter dem Strich die oftmals tadelnd an dieses Album gerichteten Pantera-Vergleiche nicht völlig auszuräumen, aber fest steht doch, dass Accept in dieser Verfassung den damaligen amerikanischen Youngstern in jeder Hinsicht den Schneid abkauften. So und genau so musste Heavy Metal in den Neunzigern klingen - und tat es leider nur viel zu selten!

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