Ein Groove-Special zum Traditional Thursday? Was ist denn hier passiert? Ist der betreffende Verfasser nun endgültig von seinem musikalischen Weg abgekommen?
Nun, dazu sind einige Worte zu sagen, zumal der Begriff "Groove-Special" die Idee des Konzepts hinter dieser Spezialausgabe eigentlich auch nur sehr verkürzt wiedergibt. Die Neunziger gelten gemeinhin als diejenige Dekade, in welcher das Metal-Genre seine tiefste Krise durchlief, und das nicht ohne Grund, lösten sich doch eine ganze Reihe verdienter Achtziger-Acts während dieser Phase zeitweilig oder gar völlig auf, während andere sich auf mitunter abenteuerliche stilistische Abwege begaben. Gleichzeitig ist das Image der Neunziger aber auch deshalb so schlecht, weil üblicherweise die schlechtesten Subgenres und ihre Vertreter als Repräsentanten dieser Epoche angesehen werden und wurden. In der Tat lassen sich natürlich einige Juwelen auch in dieser Zeit der überall manifesten Krise finden, doch wurden diese schon damals marginalisiert und sind in den meisten Fällen auch bis heute nicht so recht aus ihrem Schattendasein herausgekommen. Diese Lücke soll nun das heute beginnende Special füllen und einige gelungene Nummern der Neunziger und frühen Zweitausender vorstellen. Dabei möchte ich den Blick aber nicht auf die wenigen ehrenwerten Streiter richten, die durch diese Phase hindurch stoisch ihren Achtziger-Stil verfolgten, sondern solche Bands unter die Lupe nehmen, die, aus den Achtzigern kommend, die neuen Stilrichtungen annahmen und sie so verarbeiteten, dass am Ende etwas herauskam, was qualitativ sämtliche Genregrößen der Neunziger von Sepultura bis Pantera ansatzlos an die Wand klatschte, ohne freilich kommerziell auch nur ansatzweise an die Genannten heranzureichen. Es geht also darum, zu zeigen, dass nicht nur Traditionalismus gute Alben und Songs produzieren kann, sondern dass es, wenn auch die meisten Versuche in dieser Richtung grandios fehlschlugen, durchaus auch erfolgreiche Bemühungen gab, Achtziger-Jahre-Metal im Neunziger-Gewand darzubringen.
Platz 5: Venom - Firelight
Für die britischen Veteranen von Venom begann die Krise eigentlich nicht erst in den Neunzigern, sondern bereits mit dem Zerbrechen des klassischen Line-ups aus Cronos, Mantas und Abaddon im Jahre 1985. In der Folge kam es zu endlosen Mitgliederwechseln und mit der Hereinnahme von Demolition Man als Sänger entfernten sich die Herren aus Newcastle immer weiter vom Black Metal, den sie ja mitbegründet hatten, und entwickelten sich zu einem generischen Thrash Metal-Act. Entsprechend hoch waren freilich die Hoffnungen, als 1995 die Urmitglieder noch einmal zusammenkamen und zwei Jahre später das "Cast In Stone"-Album veröffentlichten, das sich jedoch lediglich als ein Hybrid aus einem Studioalbum und einer Best Of-Platte erwies. Die Fanschar wartete also weiter gebannt auf den ersten vollwertigen gemeinsamen Longplayer der drei Heroen, zu dem es jedoch nie kam. Kaum war "Cast In Stone" veröffentlicht, kam es bereits wieder zu bandinternen Querelen, die letztlich zum erneuten Ausstieg von Drummer Abaddon führten; für ihn trat Antton, Cronos’ Bruder, der Band bei. In dieser Besetzung erschien dann im Jahre 2000 mit "Resurrection" ein Album, das in seiner Gesamtheit leider als Rohrkrepierer bezeichnet werden muss. Neben einem coolen Artwork hatte die Scheibe nur einen einzigen Hit zu bieten - doch der hatte es dafür in sich! "Firelight" ist alles Andere als ein klassischer Venom-Song, sondern schlug eine eher moderne Richtung ein, im Zuge derer die Nummer mit einem derart gnadenlos marschierenden Mainriff aufwarten konnte, dass es einer jeden Rammstein-Rhythmusfraktion Angst und Bange werden musste - wobei Venom natürlich auf den Einsatz von Keyboards weitgehend verzichten und einen wesentlich organischeren Gesamtsound pflegen als die Berliner. Auf diesem Mainriff baut die gesamte Nummer auf und räumte damit auf dem Gebiet cruisender Boshaftigkeit voll ab. Nach "Resurrection" war dann Schluss für Mantas, der Venom verließ, um von allen Bands der Welt ausgerechnet mit Scooter auf Tour zu gehen (wirklich, bis heute: WTF?!). Venom veröffentlichten in der Folge wieder stärkere, ihrem traditionellen Stil entsprechende Alben, griffen dabei aber auch immer wieder in die Zauberkiste, die sie mit "Firelight" geöffnet hatten; man siehe hierzu beispielsweise "Lucifer Rising", den Hit vom "Metal Black"-Album.