Razor - Cycle Of Contempt

  • Razor - Cycle Of Contempt

    Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, mit Reviews in nächster Zeit etwas kürzer zu treten, doch die neue Razor-Veröffentlichung "Cycle Of Contempt" nötigt mir nun doch einige Worte ab. Vergangenen Freitag kam die Platte, das erste Album der Kanadier seit immerhin 25 Jahren, auf den Markt und hat seither vor allem in der digitalen Welt ein sehr gespaltenes Echo gefunden. Neben einigen positiven Bewertungen liest man hier auch allerlei Kritiken, die nicht nur Einzelaspekte des Silberlings bemängeln, sondern den Longplayer quasi in seiner Gänze verreißen, wobei sich die Kritikpunkte, sieht man sich die Quersumme der Rezensionen mal in ihrer Gesamtheit an, quasi auf sämtliche Aspekte der Scheibe beziehen. Daraus kann man nun zweierlei schließen: Entweder sind Razor einfach furchtbare Stümper, die ein von vorne bis hinten grässliches Machwerk veröffentlicht haben (eine Meinung, die zumindest ein Teil der Negativ-Rezensenten wohl wortwörtlich in dieser Form unterschreiben dürfte), oder aber eine beachtliche Anzahl von Menschen ist aus irgendwelchen Gründen mit einer recht verschobenen Erwartungshaltung an dieses Stück Musik herangetreten.

    So muss es jedenfalls schon sehr wunder nehmen, wenn angebliche Fans des älteren Outputs des Vierers aus Ontario sich nun bitterlich über das Songwriting auf "Cycle Of Contempt" beklagen - als hätten Razor je in ihrer Karriere mehr als zwei Riffs pro Song eingebracht! Für Andere beginnen die Kritikpunkte noch früher; sie mokieren sich bereits lautstark über das unausgegorene Cover der Platte - und dürfen dabei unwidersprochen implizieren, Albencover wie die von "Shotgun Justice", "Open Hostility" oder "Decibels" wären in irgendeiner Weise künstlerisch wertvoll gewesen (dabei ist gerade die Anspielung auf das erste der drei genannten Artworks eigentlich durchaus ein nettes Gimmick, das Fans gewiss goutieren werden). Selbstverständlich bedeutet all das nicht, dass ein Rezensent im Jahre 2022 irgendeinen dieser Aspekte für gut befinden muss - durchaus sind dies aber Elemente, die man erwarten sollte, wenn man eine Razor-CD in den Player wirft. Genauso verhält es sich auch mit der Darbietung von Sänger Bob Reid; an dessen Präsentation schieden sich schon in den Neunzigern die Geister und sie tun es heute immer noch - aber wer den Gesang des Herrn nun als unerträglich brandmarkt, der möge bitte nicht gleichzeitig behaupten, dass er das Frühwerk des Mannes aus irgendeinem anderen Grund als jugendlicher Rebellionsfreude gefeiert hätte, denn gesanglich ist sich der Vokalist zu hundert Prozent treu geblieben. Noch mehr Kritik als Bob bekommt im Allgemeinen nur Neu-Drummer Rider Johnson ab (wobei "neu" in diesem Falle bedeutet, dass der Schlagzeuger "erst" seit 2014 bei Razor musiziert). Hier wird der Band mitunter gar attestiert, mit einem Drumcomputer gearbeitet zu haben - obwohl es doch kaum jemandem gelingen dürfte, Riders Spuren von jenen von ex-Trommler Rob Mills zu unterscheiden, da beide in genau der gleichen Weise genau den gleichen Beat spielen.

    Nein, Razor sind sich mit ihrem neuen Album durchweg selbst treu geblieben. Schon der Opener "Flames Of Hatred" brettert mit Überschallgeschwindigkeit durch die Prairie und der Großteil der folgenden Songs schließt sich dieser Ausrichtung an; als auffälligste Vertreter wären hier "A Bitter Pill" und "King Shit" zu nennen. "Jabroni" wartet mit einem äußerst starken Headbang-Part auf, ehe sich die Gitarren in nachgerade Slayer-esquen Quietsch-Orgien über den Hörer ergießen. "Crossed" weist gewisse Anklänge an die "Decibels"-Ära auf und hätte damals zu den Highlights gezählt. Unter den etwas gemäßigteren Songs, die sich zumindest zeitweise mal eine Verschnaufpause im Midtempo gönnen, stellt "First Rate Hate" den stärksten Vertreter dar. Das einzige Element, das einem gewissen Facelifting unterzogen wurde, ist die Produktion, die tatsächlich halbwegs zeitgemäß klingt; allerdings ist es auch auf diesem Gebiet keineswegs so, als ob Razor nun ihre Wurzeln grundlegend verraten hätten. Vielleicht könnte man auch bezweifeln, ob es eine Nummer wie "Darkness Falls" mit ihrer untergründig schaurigen Atmosphäre auf eine der früheren Razor-Scheiben geschafft hätte - aber wo dieser Song als die große (und übrigens durchaus positive) Ausnahmeerscheinung hervorgehoben werden muss, da ist über die stilistische Ausrichtung des Gesamtalbums eigentlich auch schon alles gesagt.

    Razor haben mit "Cycle Of Contempt" ein Werk für achtziger Jahre-Maniacs geschrieben - und ausschließlich für diese. Verschnaufpausen sind hier beinahe nicht existent, Grooves ebenso wenig, stattdessen gibt es auf zwölf Songs, die entspannt in unter 45 Minuten über die Bühne gehen, reines Futter für die headbangende Fraktion. Das mag, auch bedingt durch die Herkunft der Band aus den Achtzigern, teilweise nur sehr bedingt dem Zeitgeist entsprechen und tatsächlich kann das neue Machwerk den Aggressionslevel nicht ganz so weit nach oben schrauben wie weiland "Violent Restitution" oder "Shotgun Justice", doch einem Werk wie "Open Hostility" (das übrigens, nur zum Vergleich, tatsächlich mit einem Drumcomputer aufgenommen wurde) können die Kanadier auch im Alter noch locker das Wasser reichen und damit ist hier von einem durchwegs gelungenen Comeback zu sprechen. In diesem Sinne, welcome back, Razor, oder, um es mit den Lyrics aus einem der vielen Highlights auf diesem Longplayer zu sagen:

    Thought it couldn’t happen, but here we go again...


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