Traditional Thursday #205: Poison - Sphinx

  • "Nun geht es mit der Ausdehnung des Betrachtungszeitraumes im Traditional Thursday aber ein bisschen weit", höre ich den einen oder anderen Leser denken, wenn er die heutige Ausgabe betrachtet und, nachdem wir in der vergangenen Woche mit einer Nummer aus dem Jahr 1991 die Achtziger schon verlassen hatten, erfährt, dass der heutige Song des Tages erst 1993 der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Dass dieser Gedanke allerdings vorschnell sein könnte, hoffe ich hier in wenigen Worten umreißen zu können.

    Wenn hier die Rede von Poison ist, dann ist hoffentlich klar, dass es nicht um die Glam Metal-Poser aus den USA geht, sondern um die gleichnamige Gruppe aus dem schwäbischen Ulm. Dieses Quartett gründete sich bereits 1982 und brachte in den kommenden Jahren eine ganze Reihe von Demos auf den Markt, deren Aufnahmequalität allerdings in den meisten Fällen völlig unzureichend war. Erst 1987 veröffentlichte die Gruppe ihr vier Stücke umfassendes "Into The Abyss"-Tape, das, wie dem Großteil der Öffentlichkeit erst später bekannt wurde, in jeder Hinsicht einen Quantensprung darstellte und enormes Potential offenbarte. Noch in demselben Jahr durfte die Band einen der Songs von jener Demo, "Sphinx", auf dem von Roadrunner Records herausgegebenen "Teutonic Invasion Part One"-Sampler placieren. Diese insgesamt sehr empfehlenswerte Platte verfügte über acht Stücke, je eines pro Interpret, und legte stilistisch den Fokus auf das Thrash-Genre, wobei die herausragenden Vertreter auf der Scheibe Violent Force, Paradox, Minotaur und eben Poison waren. Erstere beide wurden dann auch tatsächlich von Roadrunner unter Vertrag genommen, während es Minotaur auf anderen Wegen letztlich zu einem Full-Length-Album brachten. Poison dagegen verhungerten, während sie vergeblich auf eine Rückmeldung des Plattenlabels warteten.

    Erst Jahre später, eben 1993, gruben Midian Creations die "Into The Abyss"-Demo wieder aus und brachten sie doch noch als Vinyl in die Öffentlichkeit. Hierfür darf man dem Label durchaus dankbar sein, denn der Inhalt der Platte ist überaus eindrucksvoll. Trotz nur vierer Songs hat die Scheibe eine Laufzeit von über 32 Minuten, keine Nummer kommt unterhalb der Sieben-Minuten-Marke ins Ziel. Dabei ist die Musik allerdings nicht einmal sonderlich progressiv, sondern stellt sich als heftiges Death-Thrash-Gewitter dar, das selbst innerhalb der deutschen Thrash Metal-Szene der Achtziger zu den bösartigeren Outputs gezählt werden muss. Gruppen wie frühen Sodom oder Kreator standen Poison in Sachen Härte um nichts nach, agierten aber gleichzeitig auf einem, wenn auch nicht technisch, so doch kompositorisch viel ausgefeilteren Niveau. Sämtliche Nummern wechseln immer wieder das Tempo und werden zu keinem Zeitpunkt langweilig, lassen jedoch auch nie den Härtelevel fallen.

    Ich habe einige Zeit überlegt, ob das massive "Slaves (Of The Crucifix)" oder "Sphinx" den besseren Song des Tages darstellen würde, doch letztlich erspare ich meiner Leserschaft ersteren Neuneinhalb-Minuten-Koloss und präsentiere mit letzterer Wahl den wohl bekanntesten Track der Band, der stellenweise mit leicht orientalischen Anleihen flirtet. Wann immer man Poison wieder auflegt, kann man es nur bedauern, dass diese Gruppe so schnell von der Bildfläche verschwunden ist. Es ist, alleinig basierend auf einer Demo, sicherlich eine gewagte Hypothese, aber ich könnte mir vorstellen, dass diesen Jungs der Sprung in die oberste Liga des deutschen Thrash Metal möglich gewesen wäre, wäre diese Scheibe nicht erst "posthum" 1993, sondern schon 1987 auf großer Breite veröffentlicht worden.

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