Human. :||: Nature.

  • Kurz-Review: Nightwish - Human. :||: Nature.:

    Manch einen mag es vielleicht wundern, auf dieser Seite einen Review zur neuesten Nightwish-Scheibe zu finden. Musikalisch fallen die Finnen kaum in das Beutespektrum des Crew-eigenen Schreiberlings, der sich ja normalerweise eher an Machwerken aus den Richtungen Heavy und Thrash labt. Tatsächlich habe ich mich aber nicht aus dem Grund dafür entschieden, diese Kritik zu schreiben, eine bekannte Band ohne großen Aufwand verreißen zu können. Wenn einen eine Gruppe in der Frühphase seiner metallischen Sozialisation geprägt hat, dann bleibt man ihr ja bei allem Desinteresse, das man der musikalischen Richtung sonst so entgegen bringt, doch irgendwie verbunden und hofft, dass die Band wieder an ihre älteren Alben anschließen werde. Was aber kann der als Doppelalbum konzipierte neue Longplayer mit dem ungewöhnlichen Titel "Human. :||: Nature."?

    Der Einstieg der CD ist eigentlich vielversprechend und liegt qualitativ deutlich über dem, was man von den Finnen auf ihren letzten Alben so gehört hat. Der erste Song, "Music", der die Geschichte der Musik von ihren Anfängen bis heute nachzeichnen möchte, baut sich langsam auf und entwickelt sich dann hin zu höherer Intensität. Das erfordert etwas Geduld, zumal nicht alle Parts zu hundert Prozent sitzen, dennoch ist der Opener an sich gut gewählt. Es folgt die Single "Noise", eine ganz klassische Nightwish-Nummer, die sogar über ein gewisses Hit-Potential verfügt. Soweit kann man an dem Album also, gemessen an den Maßstäben, kaum etwas aussetzen.

    Leider wird dieses Niveau allerdings im weiteren Verlauf nur noch zweimal erreicht. Das interessante "Pan", das die menschliche Schöpfungs- und Vorstellungskraft feiern soll, macht durchaus Laune und "Tribal" kommt zumindest zu Beginn ziemlich geil, auch wenn der Song im weiteren Verlauf dann doch etwas versumpft. Daneben hat man noch das die erste CD des Doppelalbums beschließende "Endlessness", das zwar ein wenig austauschbar wirkt, aber nichtsdestotrotz für Fans der Band durchaus hörbar ist.

    Daneben hat man natürlich auch einige Fehlschläge zu verzeichnen, die entweder in für die Band eigentlich ungewohnte Folk-Pop-Gefilde abrutschen ("Harvest", das die Gesamtheit des Lebens auf der Welt besingt, oder "How's The Heart?", das sich zwischenmenschliche Einfühlsamkeit zum Thema nimmt) oder einfach vollkommen substanzlos daherkommen ("Shoemaker" oder "Procession". Ersteres soll den gleichnamigen Wissenschaftler ehren). Trotz derlei Umständen findet sich aber auf dieser ersten CD des Albums doch deutlich mehr Hit-Potential als auf den letzten Veröffentlichungen der Band und hätte man die neun Tracks allein veröffentlicht, könnte man wohl vom besten Nightwish-Album mindestens seit "Once" sprechen.

    Leider aber gehört zum Album auch noch die zweite CD mit der Suite "All The Works Of Nature Which Adorn The World" - und die offenbart wahrlich Erschreckendes. Nichts, wirklich gar nichts, von dem dargebotenen Material kann überzeugen. Kein einziger der acht "Songs" (eigentlich handelt es sich ja um einzelne Teile der Suite, nicht um eigenständige Nummern) schafft es, auch nur ansatzweise irgendeinen Funken überspringen zu lassen. Der geneigte Hörer, der dieses Album bei Nacht hört, hat ohne Unterlass mit dem Schlaf zu kämpfen, selbst wenn er zuvor überhaupt nicht müde war, und fragt sich, warum genau er sich nochmal entschlossen hatte, sich diese Darbietung zu Gemüte zu führen - und das eine geschlagene halbe Stunde lang. Man hat durchgehend das Gefühl, hier Ausschuss-Material der Band zu hören, das nur auf dem Album gelandet ist, weil Tuomas zu eitel war, es in den Mülleimer zu werfen, wo es hingehört, es aber andererseits auch nicht für wichtig genug befand, daraus vollwertige Songs für seine Band zu schreiben. Bei Nummern wie "Vista" oder "Ad Astra" fragt man sich schon, wer sowas eigentlich braucht, abgesehen vielleicht von Leuten, deren Großmutter gestorben ist und die jetzt niemanden mehr haben, der ihnen pseudo-tiefgründige Geschichten erzählt. Eine absolute Kernschmelze und eine Leistung, die den CD-Rohling nicht wert ist, auf dem sie festgehalten ist.

    So kommt dann leider "Human. :||: Nature." als lahme Ente statt als majestätische Himmelserscheinung ins Ziel. Das totale Versagen in der zweiten Alben-Hälfte überschattet zu großen Anteilen die guten Ansätze der ersten, sodass man hier am Ende wohl sogar den Vorgänger "Endless Forms Most Beautiful" noch unterbietet, denn eine Handvoll Anspieltipps sind auf sage und schreibe siebzehn Tracks in der Playlist einfach viel zu wenig. Für den gemeinen Fan harter Musik gibt es hier nichts zu holen. Freunde des Symphonic Metal können mal in die erste CD reinhören, die, wie gesagt, durchaus ihre Glanzlichter hat. Die zweite CD ist bestenfalls noch für Leute, die sich in ihrer Freizeit gerne Film-Soundtracks anhören, halbwegs genießbar; wem aber nach wie vor "Wishmaster" als der Höhepunkt im Schaffen des Tuomas Holopainen gilt und wem schon alles ab "Imaginaerum" nur noch schwer erträglich schien, dem muss bei dieser Darbietung das kalte Grauen kommen. Eine bittere Stunde für alle Nightwish-Fans und dass es sich bei "Human. :||: Nature." nicht um die schlechteste Scheibe handelt, die die Band je veröffentlicht hat, liegt ausschließlich daran, dass die Finnen mit "Angels Fall First" ja noch ein mehr als dilettantisches Debüt im Regal stehen haben, das zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wurde, als die Band für ein Studio-Album schlichtweg noch nicht bereit war.

    Strapped on the table
    The operation begins
    Caught in the fable
    The doctor is in...

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