• Review: Deep Purple - Whoosh!

    Natürlich traut es sich niemand sagen. Dass Deep Purple, einer der ehrenwertesten Acts der frühen englischen Hard Rock-Szene, seit allermindestens zwanzig, wenn man ganz ehrlich sein will eigentlich schon eher dreißig Jahren im grauesten, biedersten musikalischen Mittelmaß angekommen sind. Im Prinzip hat schon Ritchie Blackmores Ausstieg der Relevanz der Gruppe den Garaus gemacht und spätestens seit dem Austritt auch von Jon Lord, der mittlerweile verstorbenen zweiten großen Legende der Band, haut man einfach nur noch alle paar Jahre Alben raus, die zwar technisch brillant eingespielt sind, stilistisch aber eigentlich niemanden mehr wirklich interessieren. Nach dem 2017er Output "Infinite" sollte eigentlich Schluss sein und unter dem Strich war das eine positive Nachricht, verhinderte es doch zumindest, dass die Band sich vollends selbst demontierte. Doch wie es so kommt, sind wohl selbst Rentner wie die Engländer nicht vor einem gewissen menschlichen Gewinnstreben gefeit und so steht also drei Jahre später Album Nummer 21 mit dem, nennen wir es mal interessanten Titel "Whoosh!" in den Plattenläden. Zeit also, sich diesen neuen Streich der Hard Rock-Veteranen zu Gemüte zu führen und zu sehen, ob gegen Ende der Karriere nicht vielleicht doch noch einmal der Ehrgeiz Einzug gehalten hat bei dem Quintett.

    1. Throw My Bones:
    Immerhin, im Vergleich der Opener sticht "Whoosh!" das letzte Album schon mal deutlich aus. Hier wird man nicht direkt von irgendwelchen seltsamen Spoken-Word-Passagen überrascht, stattdessen startet die Scheibe mit einem entspannten Rocker, einem lockeren Groove, dabei aber auch nicht zu soft oder schnarchig. Nicht umsonst auch die erste Single des Albums, durchaus eine solide, überzeugende Nummer.
    7/10 Punkte

    2. Drop The Weapon:
    Und auch der zweite Track kann dieses Niveau problemlos halten. Klar, Härte-Rekorde stellen Deep Purple hier nicht auf, aber für eine Band mit drei Mitgliedern weit jenseits der Siebzig kann man sich auch nicht beklagen, die Nummer sei zu lasch. Im Vergleich zum Opener wird die Härte-Schraube sogar leicht angezogen, dazu gibt es ein paar fein variierende Grooves, bei denen die Gruppe ihre enorme musikalische Klasse ganz locker ausspielen kann.
    7/10 Pkt.

    3. We're All The Same In The Dark:
    Ein Abfall ist dagegen beim dritten Song der Scheibe "We're All The Same In The Dark" zu verzeichnen. Wie es auf der gesamten Scheibe immer wieder vorkommt, spielt sich hier Don Airey auf seinen Keyboards etwas zu sehr in den Vordergrund, was auf Kosten der Gitarren geht. Da kann dann auch der wie gewohnt feine, intelligente Text von Ian Gillan nur bedingt etwas herausholen, wenn die musikalische Leistung einfach nicht über das Mittelmaß hinauskommt.
    5,5/10 Pkt.

    4. Nothing At All:
    "Nothing At All" war die dritte und letzte Nummer, die vorab von "Whoosh!" ausgekoppelt wurde; was man dem Song zumindest zugute halten muss, ist, dass er Mut beweist und ungewohnte Wege beschreitet mit seinen neoklassizistisch-progressiv angehauchten Läufen in Gitarre und Keyboard, und dass insbesondere Don Airey hier auch technisch eine wirklich exquisite Leistung abliefert. Leider ist die Nummer aber auf der anderen Seite auch einfach unendlich spannungsarm läuft ohne irgendein aufregendes Element ab. Nach mehrmaligem Hören muss man zwar konzedieren, dass die Melodiebögen tatsächlich über ein gewisses Ohrwurm-Potential verfügen, aber unter dem Strich wird außer Gitarren- und Keyboard-Enthusiasten wohl kaum jemand ernsthaft etwas an dieser Darbietung finden.
    5/10 Pkt.

    5. No Need To Shout:
    Mindestens eine ganze Klasse stärker kommt da schon wieder "No Need To Shout" daher. Von allen Songs auf dem Album klingt dieser vielleicht am ehesten nach den "echten" Deep Purple, also nach den Hits, die die Truppe in den Siebzigern zu Papier gebracht hat. Oldschoolig geht es hier ziemlich direkt und mit Energie zur Sache und auch wenn es sich hier natürlich um kein Highlight in der langen Karriere der Band handelt, auf das man in dreißig Jahren noch zurückschauen wird, so stellt der Song doch ein Alterswerk dar, wie man es sich von Deep Purple insgesamt nur wünschen könnte. Bisheriges Highlight der Scheibe!
    8/10 Pkt.

    6. Step By Step:
    Aber ach, schon bei "Step By Step" wird der metaphorische Tiger, der beim letzten Song aus dem Gebüsch gesprungen kam, wieder zum Schmusekätzchen. "Step By Step" versucht wohl irgendwie, düster und episch zu sein, aber das funktioniert in der Art und Weise leider kaum. Die instrumentalen Parts sind noch ganz nett, aber spätestens in der Strophe dominiert dann endgültig die Belanglosigkeit. Tut nicht weh, die Nummer, stellt aber auch sicher nichts dar, was man sich gerne nochmal anhören möchte.
    5/10 Pkt.

    7. What The What:
    Zugegeben, man kann nachvollziehen, dass für manche Menschen "What The What" eines der Highlights des neuen Deep Purple-Outputs darstellen wird. Tatsächlich haben die Herren solche Nummern in ihrer Karriere immer wieder geschrieben, in denen sie einen gut gelaunten Rock 'N' Roll der Fünfziger mit einem Schuss Boogie versetzten. Der Song klingt beschwingt, man orientiert sich ein Wenig in Richtung von Ian Gillans Solo-Material und Don Airey liefert einmal mehr eine hörenswerte Leistung ab. Wenn man freilich diese Art von Liedern auch früher schon nicht eben zu den Höhepunkten einer Deep Purple-Scheibe gezählt hat, dann wird man auch an diesem Song hier nur mäßig Gefallen finden und so bleiben dann für diese doch ausgesprochen harmlose Darbietung nur...
    5/10 Pkt.

    8. The Long Way Round:
    Abhilfe schafft da jedoch zum Glück schon das folgende "The Long Way Round". War man mit dem letzten Track noch sehr in der Frühphase des Rock verhaftet, so orientiert man sich hier an den eigenen Werken etwa aus der Zeit der Reunion, inklusive eines coolen Gitarren-Keyboard-Parts (bei dem nach Meinung des verfassenden Rezensenten eindeutig Steve Morse die Oberhand behält...) und eines zupackenden, aber dennoch keineswegs plumpen, sondern leicht progressiven Rhythmus', der auch bei mehrfachen Hördurchgängen nicht langweilig wird. Stark!
    8/10 Pkt.

    9. The Power Of The Moon:
    "The Power Of The Moon" dagegen ist wieder eine deutlich gemäßigtere Nummer, bei der einmal mehr Don Airey (zu) deutlich die Führungsrolle in der Band übernimmt. Sicherlich, die getragenen Elemente passen gut zur im Songtitel schon angedeuteten Thematik des Tracks und dass Deep Purple rein technisch in der Lage sind, bei einem solchen Stück zu überzeugen, steht auch außer Frage, aber wenn die Nummer einfach kein treibendes Moment aufbringen kann, ist das alles letzten Endes brotlose Kunst, auch wenn in der Strophe zwischendurch ein ganz interessanter Groove auszumachen ist.
    5/10 Pkt.

    10. Remission Possible:
    "Remission Possible" als eigenständigen Track zu bewerten, gestaltet sich dagegen etwas schwierig, da die Nummer ein nur unter zwei Minuten langes Instrumental darstellt, das beim Hören intuitiv mit dem folgenden Song in Verbindung gesetzt wird. Macht man sich aber die Mühe und nimmt sich dieses kleine Zwischenspiel als eigenes Stück vor, dann können die Kritikpunkte, die sogleich an der nachfolgenden Nummer zu äußern sein werden, hier eigentlich noch nicht gelten. Im Gegenteil hat man hier ein nettes Interludium, das, käme es in der Tracklist vor einem besseren Song, wohl durchaus überzeugen könnte.
    6/10 Pkt.

    11. Man Alive:
    "Man Alive" war seinerzeit die zweite Single, die aus "Whoosh!" an die Öffentlichkeit gegeben wurde, und sorgte schon damals für Reaktionen zwischen Stirnrunzeln und Kopfschütteln, was sich unter anderem in einem Eintrag in unserem Kotzer der Woche niedergeschlagen hat. Der Song vermischt Psychedelic Rock der Sechziger mit düsteren Doom-Anleihen, kommt aber immer wieder völlig aus dem Tritt und auch die symphonische Untermalung will sich überhaupt nicht in den Song einfügen. Nun muss man dazu sagen, dass die Nummer im hinteren Teil eines allgemein recht experimentellen Albums weniger deplatziert erscheint, als sie das noch als Single tat, doch letztlich kann man hier nicht mehr vergeben als...
    4/10 Pkt.

    12. And The Address:
    Zum Abschluss des Albums allerdings gibt es nochmal eine freudige Überraschung. Song Nummer zwölf bildet nämlich eine Neuinterpretation von "And The Address", dem allerersten Song vom ersten Deep Purple-Album "Shades Of...", verfasst damals noch von den Granden Jon Lord und Ritchie Blackmore. Sicher, rein als Song betrachtet ist jetzt dieses Instrumental zwar technisch anspruchsvoll, aber kaum etwas besonderes, doch stellt es eine ausgesprochen schöne Geste dar, diesen Song 52 Jahre nach seinem ersten Erscheinen noch einmal einzuspielen. Dabei treffen Deep Purple auch genau den richtigen Ton und interpretieren die Nummer zwar merklich neu und mit einem Plus an Energie, aber doch originalgetreu. Sollte tatsächlich "Whoosh!" das letzte Album dieser Band darstellen, dann hätte sich mit diesem Song der Kreis auf geradezu schnuzlig-schöne Art und Weise geschlossen.
    7/10 Pkt.

    Fazit:
    Trotzdem bleibt natürlich unter dem Strich ein Urteil bestehen und dieses kann nur lauten, dass es Deep Purple auch mit "Whoosh!" wieder nicht gelungen ist, aus dem Reich der musikalischen Belanglosigkeit zurückzumelden. Hie und da gibt es mal ein paar kleinere Ausreißer nach oben, aber unter dem Strich ist das einfach zu wenig und das dürfte eigentlich auch jedem, der dieses Album hört, wenn er ehrlich ist, selbst klar sein. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich unverständlich, nach welchem Maß Deep Purple bei vielerlei Reviews bewertet werden. Offenbar ist ein Großteil der Rezensenten schon seit zwanzig Jahren der Meinung, dass es sich bei den Engländern um eine Rentner-Truppe handelt, die man für mittelmäßige Machwerke getrost abfeiern sollte und deren Frühwerk als Referenz völlig aus dem Fokus geraten ist. Das ist letztlich unfair gegenüber anderen Bands, denn selbst AC/DC müssen sich ja bis heute Vergleiche ihrer neueren Werke mit "Highway To Hell" oder "Back In Black" gefallen lassen und auch die letzte Judas Priest-Scheibe wurde ganz selbstverständlich an "Painkiller" und "Screaming For Vengeance" gemessen. Legt man aber nun "Machine Head" oder "In Rock" als Maßstab für "Whoosh!" an, dann kann es nach dem meilenweiten Qualitätsunterschied gar keine Fragen geben, und es ist ausschließlich die reine technische Klasse dieser Band, die sie davor bewahrt, hier noch schlechter abzuschneiden.


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