Onslaught - Generation Antichrist

  • Review: Onslaught - Generation Antichrist:

    Man merkt, dass man alt wird, wenn man sich über eine neue Onslaught-Scheibe freut und dann mit Schrecken feststellt, dass das letzte Machwerk des Briten-Fünfers schon wieder geschlagene sieben Jahre alt ist. Ja, Zeit gelassen hat sich die Thrash Metal-Institution von der Insel mit "Generation Antichrist", doch die viel wichtigere Frage ist ja, ob es sich auch gelohnt hat. Überblicken wir also die Ausgangslage: Seit ihrer Reunion haben Onslaught drei Alben veröffentlicht, von denen zwei ("Killing Peace", "Sounds Of Violence") gut, das letzte ("VI") zumindest noch ordentlich war. Andererseits hat sich seit dem genannten letzten Output das Besetzungs-Karussell bei der Truppe deutlich gedreht, drei von fünf Band-Mitgliedern wurden ersetzt. Das ist bei Onslaught nicht so ungewöhnlich, haben hier Member-Wechsel doch quasi Tradition, dass aber einer der Wechsel ausgerechnet den Sänger-Posten traf, wo mit Sy Keeler - mit Unterbrechung Sänger der Band seit 1986 - ein echtes Urgestein seinen Posten räumen musste, war doch ein schwerer Schlag für viele Fans. Dennoch fielen die Reaktionen der Presse auf "Generation Antichrist" ausgesprochen positiv aus, aber auch das muss ja nicht zwangsläufig immer etwas heißen. Gerade bei allzu pathetischen Jubel-Arien der (Online-)Magazine bietet es sich oft an, zurückhaltend zu bleiben, denn gerade diese erweisen sich bei näherem Hinsehen oft als maßlos übertrieben. Doch was kann "Generation Antichrist" jetzt wirklich?

    1. Rise To Power:
    Die Platte beginnt mit einigen kurzen Radio-Sequenzen, ehe "Rise To Power" mit voller Wucht über den Hörer hereinbricht. Ein stahlhartes, groovendes Gitarrenriff, das sich beinahe in Death-lastige Gefilde vorwagt, eröffnet die Scheibe, ehe Neuling Dave Garnett seine ersten bitterbösen Vocals auf einem Onslaught-Album beisteuern darf. Die Nummer macht richtig Laune und der Hörer kommt gerade richtig in Fahrt - als die Nummer nach zwei Minuten plötzlich abbricht und sich als bloßes Intro entpuppt. Schade, der Track hätte echtes Klassiker-Potential besessen, hätte man ihn tatsächlich zu Ende geschrieben.
    6/10 Punkte

    2. Strike Fast Strike Hard:
    Zum Glück macht aber der tatsächliche Opener, "Strike Fast Strike Hard" nicht weniger Gefangene. Hier geht es mit urwüchsiger Brachialität zu Werke, Verschnaufpausen oder ruhigere Parts sind für Onslaught selbstverständlich Fremdworte und insbesondere James Perry, ein weiterer Neuzugang, macht an den Drums sofort klar, dass er gedenkt, dieses Werk mindestens zwei Klassen härter ausfallen zu lassen als den von Michael Hourihan eingetrommelten Vorgänger. Doch wer nun denkt, hier handle es sich nur um stumpfes Geprügel, der irrt. Altmeister Nige Rockett haut kapitale Riffs aus seinen sechs Saiten und gekrönt wird das alles auch noch mit einem echten Mitmach-Refrain, bei dem wohl niemand auf den Sitzen bleiben kann. Thrash Metal nahe an der Perfektion, viel besser kann man solche Musik nicht spielen.
    9/10 Pkt.

    3. Bow Down To The Clowns:
    Es folgt mit "Bow Down To The Clowns" eine Nummer, die schon im Voraus ausgekoppelt worden war und bei der die Engländer erst mal deutlich den Fuß vom Gaspedal nehmen. Die Nummer stampft mit viel Wucht und Wut im Bauch, trotzdem muss sich der Schreiberling eingestehen, dass seine anfängliche Begeisterung für diesen Song mindestens zum Teil auch auf dem sehr coolen Musikvideo dazu beruht hat. Onslaught schielen hier ein Wenig in Richtung von "66'Fucking'6" vom letzten Album, das tatsächlich der vielleicht stärkste Song ist, den die Band je geschrieben hat, erreichen das dortige Niveau dann aber doch nicht ganz. So ist der Track zwar immer noch ein absolut hochwertiger Midtempo-Thrasher mit starkem Groove, der aber gerade nach dem übermächtigen Vorgänger ein Wenig im Windschatten versinkt. In Erinnerung bleibt die Nummer vielleicht noch wegen der coolen gesprochenen Passage von Dave, die den Track zwischendurch etwas auflockert.
    6/10 Pkt.

    4. Generation Antichrist:
    Der Titeltrack des Albums gestaltet sich im Vergleich zu den Vorgängern ein Wenig komplexer und braucht eine kleine Weile, um wirklich in Fahrt zu kommen. Wenn er aber erst mal rollt, ist der Song ebenso eingängig und intuitiv wie die Vorigen und entwickelt sich zu einem mehr als nur respektablen Banger, wobei insbesondere John an den Drums wieder eine ausgezeichnete Figur macht. Der Mann ist eine absolute Bereicherung für die Band und spielt, als würde er nach Schlägen bezahlt. Dave steuert in diesem Song beinahe gegrowlte Passagen ein, die man von Onslaught vorher nicht kannte und setzt damit seine eigenen kleinen Akzente.
    7/10 Pkt.

    5. All Seeing Eye:
    Demgegenüber ist "All Seeing Eye" etwas weniger spannend. Die Nummer entwickelt sich im mittleren Tempo-Segment, ist aber wahrscheinlich der Song auf "Generation Antichrist", der am Wenigsten im Gedächtnis bleibt, da echte Besonderheiten fehlen, die ihn auszeichnen würden. Dass das Lied trotzdem immer noch einen überdurchschnittlichen Thrasher darstellt, spricht für die Qualität dieses Albums, auf dem Durchhänger kaum auszumachen sind.
    6/10 Pkt.

    6. Addicted To The Smell Of Death:
    Das folgende "Addicted To The Smell Of Death" kommt dagegen trotzdem nochmal bedeutend unangepasster und aggressiver. Ohne es genauer überprüft zu haben, möchte man fast davon ausgehen, dass es sich hier um den schnellsten Song der Scheibe handeln könnte, der tierisch auf den Nacken geht. Sicher, einen Preis für innovatives Songwriting gewinnt die Band hier nicht, aber das ist auch überhaupt nicht der Anspruch von Onslaught (oder dem Thrash Metal-Genre überhaupt). Stattdessen gibt es hier eine weitere absolut packende Nummer, die schon vor dem heimischen Player zum Mitshouten animiert und man darf gespannt sein, wie sich die Sache darstellen wird, wenn erst die Konzerthallen wieder geöffnet werden.
    7/10 Pkt.

    7. Empires Fall:
    Eben war die Rede von Durchhängern und wenn man nun auf "Generation Antichrist" tatsächlich einen Song finden möchte, der nur im Mittelmaß rangiert, dann ist hier wohl am ehesten "Empires Fall" zu nennen. Die Nummer tendiert ein Wenig in die Neo-Thrash-Richtung, wobei die Betonung glücklicherweise auf "Wenig" liegt. Hier von einem experimentellen Track zu sprechen, wäre vielleicht übertrieben, aber es zeigen sich doch einige Elemente, die dem ansonsten soliden Midtempo-Groover eher nur mäßig zuträglich sind.
    5/10 Pkt.

    8. Religiousuicide:
    Mit "Religiousuicide" bekommen wir schließlich auch noch die Lead-Single des Albums vorgesetzt. Die erste Nummer, die man überhaupt mit Dave als Sänger zu hören bekam, zeigt den Fronter in bestechender Form, wobei der Instrumentalisten ihr Übriges tun, um eine zu hundert Prozent überzeugende Darbietung zu gestalten, die einmal mehr im absolut pfeilschnellen Uptempo angeschossen kommt, als gäbe es überhaupt kein Morgen mehr. Der Track hat bei der Veröffentlichung schon enorm Laune gemacht und nutzt sich auch bei mehrfachem Hören nicht merklich ab.
    8/10 Pkt.

    9. A Perfect Day To Die:
    Zum Abschluss des Albums gibt es dann noch etwas Besonderes auf die Lauscher. "A Perfect Day To Die" war schon letztes Jahr als Vorab-Single veröffentlicht worden und stellt daher den letzten Song dar, den die Band noch mit Sy an den Vocals aufgenommen hat. Auf dem Album hat man es jetzt freilich mit einer Neuinterpretation zu tun und während man die musikalischen Qualitäten dieser erneut mitreißenden Nummer bereits kennt, bietet sich natürlich vor allem ein Vergleich der Sänger an. Dabei ist es natürlich ein verdammt riskantes Spiel, das Onslaught hier betreiben, denn so ein Direktvergleich geht erfahrungsgemäß häufiger schief, als er funktioniert, gerade wenn es gilt, einen legendären Sänger zu ersetzen (man erinnere sich beispielsweise an die furchtbare Version von "Afraid To Shoot Strangers", die Maiden seinerzeit mit Blaze Bayley aufgenommen haben und mit der sich der Sänger direkt von Anfang an einen Großteil der Sympathien bei den Fans verspielte). Doch bei Onslaught schafft Dave tatsächlich das Unwahrscheinliche: Die Neuinterpretation des Songs hat deutlich mehr Power als das Original und der neue Sänger klingt - das muss man sich selbst als Oldschool-Fan eingestehen - mindestens genauso stark wie das Original. Beim Blick auf die Tracklist bot sich die große Gefahr, dass man das Album mit einem zwiespältigen Gefühl verlassen würde, doch Onslaught sind das Risiko eingegangen und beenden den Longplayer mit einer Demonstration der Stärke.
    8/10 Pkt.

    Fazit:
    Sieben Jahre musste man auf ein neues Album der Engländer warten und Onslaught haben ohne Wenn und Aber abgeliefert. Hier wird Thrash Metal mit der groben Schöpfkelle nach Maß aufgeschaufelt und der starke, jederzeit klare, aber nicht zu moderne Sound von Daniel Bergstrand trägt sein Übriges dazu bei, das von der Band gezündete Feuerwerk in Szene zu setzen und zu einem wahren Höllenritt zu formen. Wie die Songs den Test der Zeit bestehen, kann noch niemand sagen und ob man in Jahren von "Generation Antichrist" gemeinsam mit einem Werk wie "The Force" als einem essentiellen Album sprechen wird, wird die Zeit zeigen. Für den Moment aber kann man festhalten, dass bei diesem Album für jeden Thrasher eine absolute Empfehlung ausgesprochen werden kann, denn die Scheibe stellt momentan wohl das heißeste Eisen dar, das im Moment im Thrash Metal-Feuer zu finden ist.


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