• Review: AC/DC - Power Up:

    Die Nachricht, dass AC/DC ein neues Album in der Mache hätten, hatte sich ja schon seit geraumer Zeit angedeutet, trotzdem schlug sie bei ihrer offiziellen Verkündung ein wie eine Bombe - aber was will man Anderes erwarten, wenn die größte Rock-Band der Welt ein neues Machwerk auf den Markt wirft? Die Zeit von der Ankündigung bis zur Veröffentlichung des "Power Up" betitelten Scheibchens war eigentlich erstaunlich kurz gewählt, was wahrscheinlich ein kluger Schachzug war. Denn ohnehin stehen die fünf Australier bei dieser Scheibe so sehr unter Druck wie schon lange nicht mehr. Können die alten Herren, noch dazu ohne die Unterstützung von Band-Kopf Malcom Young, der zum Vorgänger "Rock Or Bust" noch sämtliche Songs (mit-)komponiert hatte, wirklich bestehen?

    Zugegeben, der Opener "Realize" macht in diese Richtung durchaus Hoffnungen. Sicher erfinden AC/DC hier das Rad keineswegs neu, sondern kupfern vielmehr schamlos bei "Thunderstruck" ab, aber sich am letzten relevanten Werk zu orientieren, das man als Band zustande bekommen hat, kann ja nun an sich nicht verkehrt sein und wenn man es dann in der Umsetzung dieser Hommage an die eigene Vergangenheit schafft, frisch und energetisch zu klingen und sogar einen Refrain schreibt, der ein nicht zu verachtendes Ohrwurm-Potential offenbart, dann kann man hier durchaus von einem starken Beginn des Albums sprechen.

    Und auch beim zweiten Track sind keine Abnutzungserscheinungen zu erkennen, denn "Rejection" rockt seinerseits cool nach vorne und kann hier und da sogar mit einer Prise Innovation punkten. Zwar ist das Mainriff eher mit dem Label "AC/DC-Standard-Ware" zu versehen, doch entschädigt dafür den Refrain mit Backing Vocals, wie man sie von der Band noch nicht allzu oft gehört hat, und einer starken Leistung von Brian Johnson am Gesang, die dem Mann in dieser Form vielleicht nicht mehr jeder zugetraut hätte.

    Damit allerdings haben AC/DC die beiden besten Songs des Albums auch ganz zu Beginn bereits verschossen. "Shot In The Dark", die erste Single des Albums, der später noch der Opener folgte, fällt dagegen deutlich ab und steht ein Wenig symptomatisch für AC/DC im 21. Jahrhundert. Man kann dem Song nicht einmal absprechen, dass der Refrain ganz gut ins Ohr geht, doch insgesamt passiert hier einfach viel zu wenig und noch viel weniger, was man nicht schon eine halbe Minute im Voraus kommen sieht. Genau dieses Problem ist es, an dem die Australier mittlerweile seit mindestens vier Alben leiden und von dem sie sich scheinbar auch mit Angus Young als federführendem Songwriter einfach nicht freischwimmen können.

    Ganz ähnlich liegt der Fall auch mit "Through The Mists Of Time"; der Song weist gerade im Refrain geradezu ein gewisses Hit-Potential auf, doch ist der Track einmal mehr absolut ausrechenbar und noch dazu eine jener Nummern, bei denen AC/DC versuchen, den lockeren Party-Rock der rotzigen Hard Rock-Keule vorzuziehen, womit die Band freilich schon seit den Neunzigern in den seltensten Fällen gut gefahren ist. Sicher, man hat in dieser Richtung auf den letzten Scheiben in der Umsetzung schon Schlechteres gehört, als es auf "Power Up" der Fall ist, doch wirklich überzeugen kann der hiesige Track leider trotzdem nicht.

    Entschädigung hierfür kommt allerdings bereits in Form von "Kick You When You're Down", das mit einer trockenen Grundkonzeption aufwartet, auf jeglichen überflüssigen Schnickschnack von vorneherein komplett verzichtet und sich musikalisch auf das Minimum beschränkt, womit die Band deutlich besser fährt als der auf dem vorigen Track eingeschlagenen Marschrichtung. Ein kleiner Wermutstropfen sind die nicht ganz glücklich eingebauten Gitarren-Leads in den Strophen, die jedoch bei einem Song dieser Klasse, der auch einen weiteren höchst ansteckenden Refrain im Schlepptau hat, absolut zu verschmerzen sind.

    Schwächer ist dagegen wieder "Witch's Spell", das etwas unaufgeräumt daherkommt und und in der Abfolge der einzelnen Parts beinahe ein Wenig planlos anmutet. Mit fortschreitender Spieldauer stabilisiert sich der Song zu einem soliden Rocker, dessen Herzstück einmal mehr der Refrain ist und der sogar mit einigen coolen Szenen seitens der Leadgitarre aufwarten kann. Nimmt man alles zusammen, so hat man es hier mit einer gefestigten Nummer zu tun, die genauso weit davon entfernt ist, ein Kracher zu sein, wie ein Ausfall.

    Es folgt die zweite Hälfte des Albums, auf der die Dinge allgemein etwas Blues-lastiger zugehen, als das bisher auf "Power Up" der Fall war. Das ist für den geneigten Hard Rocker, für den übermäßiges Blues-Genudel schon das letzte Album der Australier zerstört hat, durchaus problematisch und macht sich gleich beim ersten Song der B-Seite, "Demon Fire", bemerkbar. Der Song hat eine durchaus kratzige Atmosphäre und Brian gibt sich alle Mühe, seine Stimme dem anzupassen und sich gut in den Track einzufügen, aber unter dem Strich wirkt das bluesige Grundriff einfach zu harmlos und langweilig, zumal es in höchst repetitiver Form vorgetragen wird.

    Besserung jedoch naht bereits mit dem folgenden "Wild Reputation", bei dem einfach saucool und ohne große Einflüsse jedweder Coleur drauflos gerockt wird. Sicher, auch das hier wurde von verschiedensten Bands schon millionenfach in ähnlicher Form dargeboten, aber im Gegensatz zu einigen anderen Songs der Scheibe zünden bei "Wild Reputation" die Ideen der Band - zumal man einmal mehr auf ein paar coole Backing Vocals setzt, um den Refrain abzurunden - und dann hat eine solche Herangehensweise auch ihre Daseinsberechtigung.

    Deutlich durchwachsen, um nicht zu sagen schnarchiger, kommt dagegen "No Man's Land" um die Ecke. AC/DC sind generell keine Band der wilden Innovationen, aber wenn dann auch noch die Spielgeschwindigkeit dem Schneckentempo angenähert wird, dann ist relativ schnell endgültig der Ofen aus. Es gibt durchaus Bands, die es hinbekommen, solche mahlenden Songs zu echten Alben-Highlights zu machen, doch in dem Fall muss es dann bei den entsprechenden Nummern schon auch entsprechend brachial zur Sache gehen. AC/DC dagegen sollten die Dampfwalze lieber anderen Bands überlassen und sich auf ihr Kerngebiet konzentrieren, denn Nummern wie diese sind, wenn auch nicht wirklich schlecht, so doch vollkommen verzichtbar.

    "Systems Down" rockt da schon wieder wesentlich ansprechender; die Australier liefern hier einmal mehr Altbekanntes ab, das aber auf höchstem Niveau umgesetzt wird. Beinahe ungewohnt mutet dagegen der Text der Nummer an, in dem die Band auf Themen wie die Zerstörung unserer Umwelt Bezug nimmt. Die Herren werden doch wohl nicht altersweise? In jedem Fall eine positive Überraschung auf einem der stärkeren Songs der Scheibe.

    Gegen Ende des Albums lassen dann AC/DC leider einmal zu sehr die Zügel schleifen. "Money Shot" soll sicher ein cooler, lässiger Rocker sein, dosiert aber wiederum die Blues-Anteile zu hoch und wirkt dadurch eher uninteressant. Das Prädikat "Altherrenrock" ist eines, das keineswegs schmeichelhaft ist und meist von musikalisch nur mäßig interessierten Mitmenschen ganzen Bands (oft zu Unrecht) aufgedrückt wird, aber auf diesen Song wie auch auf den nachfolgenden passt es leider nur zu gut.

    Denn auch der Closer "Code Red" bietet keine Steigerung der Band mehr. Erneut hat man es eher mit einer Blues-Nummer zu tun, die überdies noch einen gewissen Jam-Charakter aufweist und wohl möglichst locker aus dem Album hinausleiten soll. Dass man sich den Titel dabei mit einem absolut brachialen Sodom-Album teilt, stellt sicher keine bewusste Entscheidung dar (die Gelsenkirchener Thrasher dürften Angus und Co. dann doch eher kaum ein Begriff sein), doch macht dieser Umstand es nicht einfacher, als Hörer die mehr als gemächliche Herangehensweise der Aussies zu goutieren.

    Unter dem Strich kann man wohl festhalten: "Power Up" ist nicht so schlecht wie es hätte sein können und bei weitem nicht so schlecht, wie es das ausgesprochen hässliche Albumcover vermuten ließe. Im Gegenteil schlägt die Band nicht nur den direkten Vorgänger "Rock Or Bust", sondern liefert unter dem Strich eine solide Scheibe mit wenigen Ausfällen ab, die wohl zum besten Album der Gruppe seit "The Razors Edge" avancieren kann. Von diesem Album freilich (oder von sämtlichen anderen Band-Klassikern) ist die Hard Rock-Institution aus Down Under zwar weiterhin meilenweit entfernt, aber zumindest liefert man einige gute Unterhaltung für Fans der Band und mit "Realize" und "Rejection" ein Eröffnungs-Duo, an das man mit etwas Glück vielleicht auch in ein paar Jahren noch zurückdenken wird - und das ist mehr, als Viele der Band noch zugetraut hätten.

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