U.D.O. - Game Over

  • Review: U.D.O. - Game Over

    Man traut es sich ja beinahe nicht zu sagen, aber wenn man so möchte und sich nicht vor ein paar schrägen Blicken ob der Komik dieser Metapher scheut, dann könnte man Udo Dirkschneider fast als das fleißige Bienchen der deutschen Metalszene bezeichnen. Seit Jahren und Jahrzehnten veröffentlicht der Herr mittlerweile nun doch schon deutlich gesetzteren Alters mit der nach ihm benannten Gruppe alle zwei bis drei Jahre ein Album und das seit "Steelhammer" (2013) sogar wieder in ansprechender Qualität. Das letzte, "Steelfactory" betitelte Machwerk stammt aus dem Jahr 2018 und so ist es also mal wieder an der Zeit für etwas Neues. Dass Udo zur Aufnahme eines neuen Albums neben den zahlreichen (in ihrem Mehrwert freilich eher schwankenden) Projekten, die er während der Corona-Zeit angestoßen hatte, überhaupt gekommen ist, ist an sich schon eine Erwähnung wert, dass der neue Longplayer mit sechzehn Songs und über einer Stunde Spielzeit dieser Bezeichnung auch tatsächlich alle Ehre macht, eine weitere.

    "Game Over" beginnt zunächst etwas zaghaft, doch es dauert nicht lange und der Opener "Fear Detector" legt richtig los und spuckt tückische Riffs gleich im Dutzend. Im oberen Midtempo wird fies vor sich hin gerockt, aber mit dem Refrain auch für eine Portion Melodie gesorgt, welche die härteren Passagen gut ausbalanciert. Dass Neu-Gitarrist Dee Dammers seinem Tremolo-Einsatz nach zu urteilen bei Gary Holt in die Schule gegangen ist, tut sein Übriges dazu, die Nummer zu veredeln.

    In der Folge macht "Holy Invaders" mehr oder weniger in derselben Richtung weiter, betont jedoch gegenüber der etwas flotteren Gangart des ersten Tracks eher das drückende Element. Damit geht jedoch keinerlei Qualitätsabfall einher, vielmehr liefert "Holy Invaders" einen packenden Groove, der dem Hörer im Refrain in ungleich fetterer Form direkt nochmal auf's Brot geschmiert wird. Nichtsdestotrotz klingt die Nummer zu hundert Prozent nach den Achtzigern, was sich natürlich nicht zuletzt auf Udos Gesang zurückführen lässt.

    Bedeutend melodiöser geht es da schon bei der bereits allseits bekannten Single "Prophecy" zur Sache; die Nummer cruist entspannt vor sich hin und findet ihren Ankerpunkt in einem getragenen Refrain, der es schafft, den beiden vorangegangenen mindestens gleichzukommen. Soweit eigentlich alles in bester Ordnung, fraglich bleibt nur, wie man auf die Idee kommt, einen solchen Song mit dem Titel "Prophecy" zu bezeichnen. Die namensgebende Zeile "Hear my prophecy" steht mit dem Rest des Textes in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang und fügt sich in etwa so gut in den Song ein wie das völlig deplatzierte vokale Mini-Outro.

    Musikalisch ist die Nummer dennoch bedeutend spektakulärer als das nachfolgende Stück "Empty Eyes". Dieses wartet mit einem pumpenden Bass sowie einer latenten Tendenz zum Upbeat auf, die sonderlich dem Refrain durchaus einen gewissen Charme verleiht. Grade auf diesen Refrain stützt sich der Song aber insbesondere gegen Ende vielleicht ein wenig zu stark, wobei die wirklich großen Momente ausbleiben. Eher nur Füllwerk.

    Deutlich entspannter kommt demgegenüber "I See Red" daher, welches auf bisher fünf Songs bereits den zweiten lockeren Rocker darstellt. Solche hatte man auf "Steelfactory" noch in bedeutend geringerem Umfang gefunden und allgemein lässt es sich als Tendenz auf "Game Over" ausmachen, dass solchen Auflockerungen der grundlegenden Metal-Marschrichtung mehr Platz eingeräumt wird, als das in der Stahlfabrik der Fall gewesen war. Im Vergleich zu "Prophecy" ist "I See Red" zwar einen Tick flotter unterwegs, verfügt dabei aber über ungleich weniger musikalische Substanz und auch die wiederholt angetäuschten Tempowechsel wirken sich nicht unbedingt zum Besten des Songs aus.

    Zumindest der erstere dieser Kritikpunkte lässt sich problemlos auch auf "Metal Never Dies", die Lead-Single von "Game Over", übertragen. Es mag aus dem Munde eines Manowar-Fans befremdlich klingen, aber muss es denn wirklich immer dieselbe alte Leier sein? Grundsätzlich hat gegen True Metal-Lyrics ja niemand etwas einzuwenden, aber wenn sich die musikalische Darbietung dazu derart spannungsarm ausnimmt wie in diesem Fall, dann wird das Phrasendreschen mit choraler Untermalung halt doch eher schnell langweilig. Sicher, ein wirklich schlechter Song sieht anders aus, doch als Single ist die Nummer ein Fehlgriff, daran kann auch das feine Gitarrensolo nichts ändern.

    Hat eigentlich schon mal jemand erwähnt, dass der nachfolgende Track, die Single "Kids And Guns", nach AC/DC klingt? Sicher: U.D.O. (und auch Accept, um das an dieser Stelle nicht zu unterschlagen) haben sich in ihrer Karriere immer wieder an die weltgrößte Hard Rock-Band angelehnt, doch in diesem Falle bedient sich Udo schon besonders auffällig bei den Australiern. Nun wäre "Kids And Guns" auf deren letzter Scheibe "Power Up" wahrscheinlich der interessanteste Song gewesen, von U.D.O. würde man sich aber doch ein kleines bisschen mehr Originalität durchaus wünschen.

    An diesem Punkt ist "Game Over" nach dem starken Beginn weitgehend zum Erliegen gekommen und es dauert bis "Like A Beast", ehe die Scheibe wieder richtig Fahrt aufnimmt. Der Song passt hervorragend in die Halloween-Saison, reicht Udo mit dem Intro doch eine aussichtsreiche Bewerbung auf den Regie-Stuhl des kommenden "Scream"-Streifens ein; danach präsentiert sich der Track als effektivster Vertreter unter den härteren Songs des Albums und holzt recht unwirsch durch die fünf Minuten Spielzeit. Einige der Riffs in der Bridge hätten noch etwas mehr Biss vertragen, andere überzeugen mit Annihilator-artigen Palm-Mute-Figuren. Unter dem Strich handelt es sich hier aber sicher um eines der Highlights auf "Game Over"!

    Warum das nachfolgende Stück "Don't Wanna Say Goodbye" (ebenso wie übrigens später auch noch "Speed Seeker" und "Time Control") im Album als Bonus-Track deklariert wird, wissen wohl nur der liebe Gott und Udo selbst. Factum ist, es existiert keine Version des Album ohne diese Nummern, also handelt es sich auch um keine Bonus-Songs. Freilich würde man sich eine solche Kurz-Version des Albums durchaus wünschen, denn das als komplett akustische Ballade ausgeführte "Don't Wanna Say Goodbye" ist ohne Zweifel der Tiefpunkt auf "Game Over". Nun soll man nicht behaupten, Udo könne keine ruhigen Nummern singen; eindrucksvolle Beispiele wie "In The Darkness" oder auch später noch "Cry Soldier Cry" belegen das Gegenteil. "Don't Wanna Say Goodbye" aber zielt musikalisch deutlich in Richtung von Accepts "Breaking Up Again" - welches freilich seinerzeit nicht ohne Grund von Peter Baltes und eben nicht von Udo intoniert wurde. Aber Accept sind ein gutes Stichwort, denn mit diesen dürften sich U.D.O. dieses Jahr ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Auszeichnung für die verpfuschteste Ballade des Jahres liefern.

    Doch die Rehabilitierung nach diesem Nackenschlag folgt zum Glück auf dem Fuße, denn "Unbroken" zeigt die Band wieder in ihrer besten Form. Der Song ist ein heftiger Midtempo-Stampfer mit einem Refrain, der jenen von "Metal Never Dies" in jeder Hinsicht in den Schatten stellt und es dabei gar nicht nötig hat, durch unnötigen Pomp größer zu erscheinen, als er eigentlich ist. Ein klassischer U.D.O.-Banger und einer der besten Tracks des Albums!

    Dieses hohe Niveau kann auch das folgende "Marching Tank", dessen Titel sich selbstverständlich auf Mr. Dirkschneider persönlich bezieht, weitestgehend gehalten werden. Die Strophen wirken für sich selbst betrachtet vielleicht ein wenig beliebig, doch schon der interessante Pre-Chorus macht Lust auf mehr und leitet über in den wohl innovativsten und vielleicht auch gelungensten Refrain des Albums. Sehr melodisch, aber doch ohne zu sehr in Schunkel-Gefilde abzurutschen wird hier eine echte Hymne auf's Parkett gezaubert, die auch live zu einer sicheren Bank für die Band werden dürfte.

    Das treibende "Thunder Road" wiederum ist zwar grundsätzlich solide, kann jedoch mit den stärkeren Songs des Albums nicht konkurrieren. Obwohl der Track über einige sehr schöne Gitarrenarbeit verfügt, gelingt es nicht, den Hörer wirklich zu packen, und insbesondere der Refrain ist auch nach mehrmaligem Hören schwer zu greifen. Kein Ausfall, aber ebensowenig ein Song, an den man sich länger erinnern wird.

    Accept haben den "Midnight Mover", also brauchen U.D.O. nun wohl den "Midnight Stranger"; in jedem Falle schreit die Nummer förmlich nach dem Accept-Output der Achtziger, wirkt dabei jedoch ein wenig zu aufgesetzt und bemüht. Letztlich verfangen die Midtempo-Riffs nicht so wirklich und haben weder genug Power noch die großen Melodien, die nötig wären, um das Lied über das Mittelmaß hinauszuheben. Pluspunkte gibt es für den netten Kommentar in der Bridge ("T.V. War", anyone?).

    "Speed Seeker" kommt in einem, gemessen am Titel der Nummer, nicht unbedingt zu erwartenden Midtempo um die Ecke, stellt aber dennoch von den drei nominell als Bonus bezeichneten Songs klar den besten dar. Der simple Track verfügt über einen leichten Hard Rock-Einschlag, einen überzeugenden Refrain und ein sehr schönes, zweistimmiges Gitarren-Lead von Dee Dammers und Andrey Smirnov, der ja mit bald zehn Dienstjahren geradezu schon als U.D.O.-Urgestein bezeichnet werden kann.

    Mit "Time Control" lassen dann U.D.O. die Zügel wieder ein wenig schleifen; insbesondere der Refrain zieht recht melodisch, aber halt auch überaus harmlos am Hörer vorbei. In den Strophen versucht Udo, mit gewohnt plakativer Sozialkritik und einer energischen Gesangsleistung einen höheren Härtegrad zu forcieren, den aber der musikalische Grundbestand des Songs einfach nicht hergibt.

    Und so gewinnt man zwischenzeitlich schon den Eindruck, als ritten U.D.O. hier ganz gemütlich in den Sonnenuntergang, und vergisst beinahe, dass ja noch eine Nummer ansteht, welche auf den Titel "Metal Damnation" hört und noch einmal alle Energiereserven aktiviert. Einfach konstruiert und mit einem überaus Mitshout-verdächtigen Refrain ausgestattet räumt der Track noch einmal mächtig ab, ehe sich die Scheibe schließlich abschaltet.

    Fazit:
    Die Qualität von "Game Over" bedarf unter dem Strich sicherlich einer differenzierten Einordnung. Das Album wartet mit einigen sehr starken und einer Handvoll starken Songs auf und liefert also durchaus gutes Futter für jeden Headbanger, doch finden sich auch Phasen, während derer die Scheibe mehr oder minder im Mittelmaß versinkt. Eine Kürzung der Tracklist wäre hier dringend am Platze gewesen, denn hätte man sich auf die zehn bis elf besten Nummern beschränkt, dann hätte "Game Over" ganz oben in der U.D.O.-Diskographie mitmischen können. So aber findet sich einfach zu viel Ausschussmaterial, als dass man von einem rundum gelungenen Album sprechen könnte. Im Fernduell mit seinen ex-Kollegen von Accept und deren neuestem Output behält Udo trotzdem die Oberhand, doch ist der Klassenunterschied nicht so groß, wie er sein könnte und wohl auch müsste, um U.D.O. kommerziell auch international wieder in die erste Reihe zu rücken und zu einer ernsthaften Konkurrenz für Gruppen wie Accept und die erste Garde der traditionellen Heavy Metal-Szene zu machen.


    ANSPIELTIPP:

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Strapped on the table
    The operation begins
    Caught in the fable
    The doctor is in...

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!