Der Freitagmorgen begann gegen acht Uhr morgens. Ich las ein paar
Seiten, kaufte ein paar Fressalien und zwei gekühlte Kaffees und parkte
mein Auto wieder in besagter Park and Ride Anlage. Mein Parkschein lief
um 9.30 Uhr aus. Danach fuhr ich mit der U-Bahn noch mal in die Wohnung
zurück, packte meine Habseligkeiten, kaufte mir noch das neue Metallica Album "Hardwired... To Self-Destruct" zur musikalischen Untermalung der Fahr, dann zurück zum Auto und machte mich auf nach Graz. Die Reise dauerte rund zwei Stunden und war ohne besondere Vorkommnisse. Ich entkam aber dem Regen und der Kälte in Wien:
rund eine Stunde vor Graz strahlte die Sonne vom Himmel. Die
Temperaturen erreichten bis zu 17 Grad.
Einmal in der steirischen Landeshauptstadt angekommen, parkte ich mein
Gefährt vorm Mehrparteienhaus, in dem Nina, eine ehemalige
Schulkollegin, und ihr Freund Andi leben. Ich kaufte einen Parkschein,
nahm meinen Koffer sowie den Stoffbeutel und ging zur im Dachgeschoss
gelegenen Wohnung. Auch die beiden hatte ich bereits mehrere Jahre nicht
mehr gesehen. Dementsprechend herzlich fiel die Begrüßung aus. Ich
bekam eine Tasse Kaffee und anschließend gingen wir in ein
Bausatzrestaurant, wo wir Burger bestellten. Zur Feier des Tages taufte
ich meinen „McSteve Harris“. Anschließend widmeten sich die beiden
wieder ihren studentischen Arbeiten. Ich hingegen machte mich auf zum
Orpheum – der letzten Station meiner Reise – und parkte mein Auto
gegen 17 Uhr in der davorgelegenen Garage. Wie sich später herausstellen
sollte, hatte die perfekte Lage jedoch einen Haken: den Preis. Für die
rund fünf Stunden bezahlte ich etwa 23 Euro.
Vor der Location traf ich, in meine Metalkutte gehüllt, auf einen Vater
und seinen etwa zehnjährigen Sohn. Gemeinsam hatten sie dieses Jahr
schon zwei, drei Maiden Konzerte besucht. Aufgeregt erzählte mir der
Vater, dass gerade eben Steve Harris vorbeigehuscht war. Wir kauften uns
noch bei einem Nahversorger etwas zu essen und zu trinken, plauderten
und begaben uns wenig später, in Begleitung eines Freundes des Vaters
und dem Chef des Fanclubs Maiden Austria United, Robert, ins Gebäude.
Ob ich nicht das große British Lion Poster aus dem Glaskasten bekommen
könnte, fragte ich den Mann hinter der Kassa. „Geh einfach mit! Das Ding
geht ganz leicht auf. Ich zeig’s dir.“ Ich schnappte mir das Poster und
ehe ich es ins Auto bringen konnte, kamen Kevin und seine Freundin
Babsi bereits auf mich zu. „Da kommt man wo hin, und du randalierst
schon wieder“, scherzte er. Ganz ohne Sarkasmus: Ich war echt froh, den
Vogel wieder zu sehen. Auch Kevins Freund aus Bayern war wieder mit von
der Partie.
Zurück im Orpheum organisierte ich mir noch etwas zu trinken und einen
Gehörschutz, plauderte noch ein wenig, mich und startete dann um halb
acht, gemeinsam mit den anderen, in die leicht abfallende Konzerthalle.
Und wieder stand ich rechts vor der Bühne. Der Vater und sein Sohn links
neben mir. Schön langsam füllte sich auch der Raum. „Ich bin mir echt
nicht sicher, ob das Konzert wieder genauso genial wird, wie gestern in
Bratislava“, meinte Olga, die plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte.
Ich stimmte ihr zu. Zu diesem Zeitpunkt waren erst etwa 20 Leute da.
Wie wir uns doch getäuscht hatten.
Eine halbe Stunde später startete Voodoo Six, nach ihrem marschartigen
Intro, mit ihrem Set. Mittlerweile waren mir die Songs gar nicht mehr so
unbekannt. Eingängige Refrains „Make way for the king“ und „Uh! It’s
electric“ sowie die unüberhörbaren „Come ons“ und „yeahs“ des Bassisten,
der mich bereits in Münchensowohl spieltechnisch als auch optisch sehr
an Steve erinnerte,motivierten die mittlerweile rund 70 bis 80 Besucher
zum Mitsingen. Die Meute sprang im Takt und schüttelte ihre Häupter. Auch
hier was die Stimmung wieder um einiges besser als in der bayrischen
Landeshauptstadt. An die in Bratislava kam sie aber nicht heran.
Gegen neun Uhr verstummten dann die letzten Saiten, Schlagzeugfelle und
Schallwellen. Band und Roadies räumten die Bühne für British Lion. Der
Bassist wechselte wieder Saiten gegen Regler und startete noch einen
kurzen Line Check. Ich bat den Vater, mir den Platz neben ihm
freizuhalten und ging zwischenzeitlich noch eine rauchen.
Um kurz nach neun war’s dann wieder soweit. Ein Bühnentechniker
leuchtete mit seiner Taschenlampe den Soundmenschen an, das Licht ging
aus, die Meute brach in Jubel aus und gleichzeitig startete das Intro.
Unter den wachsamen Augen einiger griechischer Soldaten, welche auf dem
riesigen und farbenfrohen Banner mit den Worten „Us Against the World“
in den Krieg zogen, stürmten die Jungs von British Lion die Bühne.
Gewohnt meisterlich spielten die Jungs, unter den wachsamen Augen von
Chef Steve Harris, ihre Songs, Richard bewegte sich, als ob er Kung Fu
Profi war und Steve begann rasch zu schwitzen. In den Spielpausen
übertönten wieder Sprechchöre und Jubel Stille und Richards Reden. Der
Sänger wirkte davon sehr mitgenommen und angespornt. Ebenso angetan
von der Stimmung waren Grahame, der eigentlich immer Grinste, weil ihm
die Spielerei so viel Spaß macht sowie Schlagzeuger und „Powerhouse“
Simon. Als Richard letzteren dem Publikum mit vollen Namen – inklusive
Mittelname, der mir, während ich diese Zeilen schrieb leider nicht
einfallen wollte - vorstellte mussten er, Richard und sogar Steve
lachen. Die Jungs hatten echt viel Spaß an diesem Abend.
Steves Laune war wenige Minute später dann aber am absoluten Tiefpunkt:
Auf einmal war sein Bassspiel nicht mehr zu hören. Er ging hinter die
Bühne zu seinem Verstärker, schrie herum. Plötzlich schob Michael Kenney
seinen gewichtigen Köper zu Steve, drehte an ein paar Knöpfen – er verzog keine
Mime und kaute genüsslich und immer mit offenem Mund (!) seinen Kaugummi
– als im ein zweiter Techniker zu Hilfe kam. Steve war bereits wieder
auf die Bühne gehüpft. Einige Sekunden später konnten er und das
Publikum den Bass wieder hören.Wobei ich mir nicht so sicher bin, wie
vielen Zusehern das überhaupt aufgefallen ist.
Sie spielten ihr Set zügig durch und nach „Eyes Of The Young“ war wieder
Schluss. „War das jetzt alles?“, fragte mich der Vater. Ich verstand
ihn kaum, da die Meute laut nach einer Zugabe schrie. Ich musste seine
Frage leider bejahen.
Ich plauderte anschließend noch mit den Jungs von Voodoo Six, ließ mich
noch einmal mit Steve und den Jungs fotografieren, verabschiedete mich
von Olga, dem Vater und seinem Sohn, nahm mir noch ein Poster von der
Pinnwand am Ausgang mit, ging zur Parkgarage, zahlte, hüpfte ins Auto
und fuhr wieder zu Nina und ihrem Freund.
Erschöpft schleppte ich mich wieder ins Dachgeschoß des
Mehrparteienhauses und legte mich, nachdem mich mir noch ein Interview
mit Richard Tylor, der nach den Konzerten nie für ein Foto zu haben war,
durchgelesen hatte, schlafen. „Er ist sehr schüchtern und will seine
Stimme schonen“, meinte Olga die Gründe dafür zu wissen. Naja,
schüchterner als Steve, der während der Bandvorstellung mit dem Rücken
zum Publikum steht, den Schweiß von seinem Gesicht wegwischt, etwas
trinkt und seinen Bass stimmt, kann er ja fast nicht sein, oder? Naja,
who knows. „Er ist einfach ein richtig arroganter Arsch, der glaubt dass
die Leute nur wegen ihm kommen. Eigentlich kommen sie ja wegen Steve“,
meinte Kevin. Was ich denke? Ich vermute ersteres.
Am Samstagmorgen vergangener Woche ging ich mit meinen beiden Gastgebern
noch Frühstücken. Dann packte ich mein Zeug, bedankte mich und
verfrachtete mein Gepäck ins Auto. Gegen 11 Uhr machte ich mich auf nach
Wels, wo ich nach zwei oder drei Pausen gegen 14.30 Uhr wahrlich
erschöpft und auch etwas wehmütig Uhr ankam.
Drei Konzerte in drei Ländern. Mehr als 1400 gefahrene Kilometer in vier
Tagen. Eine wahnsinnig spannende Reise voller Musik ging an diesem
Samstag zu Ende. Ich hab viele neue Leute kennengelernt, Verwandte und
Freunde wieder getroffen, neue Kontakte geknüpft. „In dieser Welt sind
wir alle eine große Familie. Ganz egal wo du herkommst“, sagte Olga, die
mittlerweile wieder in Moskau ist, aber im Dezember noch für einige
Konzerte nach Westeuropa zurückkehrt.